Das wir hier keine Sangria trinken, das hat sich unter dem interessierten La Palma Urlauber längst rumgesprochen. Allerdings ist Sangria oder Paella ja für den Rest der Welt so etwas wie der Inbegriff der spanischen Ernährungskultur geworden, dazu noch einen schwungvollen Flamengotänzer und einen Stierkämpfer und fertig ist die Bilderbuchvorstellung von Spanien. Umgekehrt klappt das auch prima. Der deutsche trägt wahlweise Dirndl oder Lederhose und frisst Wurst bzw. trinkt Bier und das aus möglichst großen Gefäßen. Und weil das auch hier auf La Palma angekommen ist, und man auch irgendwie versucht, die ganzen deutschen Residenten ins gemeinsame Boot der nicht enden wollenden Feierlichkeiten zu hieven, gibt es auch hier Oktoberfeste. Vor Jahren gab es mal ein großes in Los Llanos, mit Zelt und Bierbänken. Allerdings mit Warsteiner, was den bayrischen Residenten übel aufgestoßen sein mag. Dazu Weißwurst und Ähnliches und fertig ist die Laube. In El Paso gibt es eine kleine Ausgabe in jedem Jahr. Getrunken wird da Tropical und es gibt kleingeschnittene Würstchen mit einer Mischung aus Ketchup und spanischem süßem Senf und wer möchte darf auch noch Mayo trüber haben. Dazu Konzerte und DJs, und eigentlich wird schnell klar, dass man einfach nur einen Grund für eine kleine Feierlichkeit braucht, um gemeinsam mit dem Nachbarn einen zu heben. Das mit dem Klischee der vermeintlich deutschen Kultur ist ein willkommener Vorwand, was ja auch ganz normal ist. Das machen alle so, und der kulturelle und kulinarische Eigenbedarf wird entsprechend angepasst. Ein Italiener der was auf sich hält, steht, wenn er sich anschaut wie im Rest der Welt Pasta verzehrt wird, ja auch wahlweise vor Mord oder Selbstmord. Aber zurück zur vermeintlich deutschen Kultur: Jetzt gibt es in Barlovento auch wieder ein „Oktouberfest“ mit „u“ in der Mitte, warum auch immer. Das Ganze findet im „Mercadillo Agricola y Artesano“ statt. Und man hat da einen Wettbewerb (schon die viere Ausgabe) mit Bier installiert. Paarweise kann man da teilnehmen und das Ziel ist es den vollen Bierkrug möglichst weit/lange/elegant über die Theke rutschen zu lassen. Es gibt limitierte Plätze und man kann sich da über das Rathaus einschreiben um anschließend dort mitzumachen und Bier (Import) zu gewinnen, wenn man besonders gut schupsen kann. Völkerverständigung ist einfach eine feine Sache.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch kulturelle Geschichten, die wir exportieren. Da geht es dann vor allem um Kulinarik. Der Ziegenkäse ist ganz lecker und Mojo muss man niemandem mehr erklären. Die beste kommt aus La Palma und der Urlauber nimmt sich da auch meist gerne welche mit, um im kalten Deutschland ein Stück La Palma an sein Essen zu tun. Neben den traditionellen Geschichten gibt es aber noch eine Sache, die es in dieser Form exclusiv nur auf La Palma und nicht auf den anderen Inseln gibt, aber schwer unter Esskultur zu verorten ist, weil es eben zum einen recht neu, und zum anderen kulinarisch eher als „Frechheit“ zu betiteln ist. Aber man muss es im Prinzip, ob ungesund und schlecht für das anschließende körperliche Wohlbefinden, einfach mal probiert haben. Auch wenn ich diese Fettorgie abscheulich finde, einmal im Jahr packt es einen und dann muss man das essen, ähnlich wie kalte Ravioli direkt aus der Dose. Die Rede ist von den „Papas Locas“. Hierbei handelt es sich um einen Berg Pommes, garniert mit Hotdogwürstchen, Käse sowie Unmengen an Mayo, Ketchup und den bereits oben beschriebenen süßen Senf. Wahlweise kann man das dann noch mit Carne Mechada, Pollo Mechada, Speck oder sogar mit Bolognese-Soße (spätestens nun steigt der Italiener mit dem Fön in die Wanne) bekommen. Das Ganze gibt es dann gerne in einer Riesenportion, wobei dann viele kleine Gäbelchen gereicht werden und alle am Tisch da mitpicken. Beinahe jede Bar bietet das an, und vor allem bei den jungen Menschen ist das sehr beliebt, alldieweil es sehr sättigend, gesellig und eben günstig ist. Würde man rumfragen, dann würden wohl neunzig Prozent behaupten, dass es die besten Papas Locas in der „Ruta 22“, ehemals „Bar Americano“ in El Paso geben würde. Die haben das „Gericht“ in vielen Varianten und sind ganz klar da die Nummer 1. Studenten, die an Weihnachten zurück auf der Insel sind, treffen sich dort zum Papas Locas essen mit ihren ehemaligen Mitschülern und Jugendsportmannschaften freuen sich, wenn sie zu Auswärtsspielen nach El Paso müssen, weil man dann anschließend mit 20 Leuten da noch die besten Papas Locas essen kann. Kurzum, die „verrückten Kartoffeln“ sind längst Kulturgut auf der Insel. Und nun gibt es sogar in Los Llanos den „Papalicioso“, einen Wettbewerb, wer dort die besten „Papas Locas“ macht. Dahinter steckt die Initiative „Zona Comercial Abierta“ (ZCA) aus Los Llanos in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Cabildo. Gesucht werden, zwischen dem 20. und 31. Oktober, die besten Papas Locas der Gemeinde, welche zu einem Einheitspreis von € 5,- angeboten werden sollen. Der Gewinner erhält ein Marketingpaket im Wert von €1.000,- und den entsprechenden Titel. Unter allen die da probeessen und abstimmen gibt es dann noch einen Konsumgutschein von €100,- den man bei allen Betrieben, die der ZCA angehören, einlösen kann. Damit sei die lästige „palmerische Diskussion“, wo es die besten Papas Locas gäbe, endgültig beendet, zumindest was Los Llanos anbelangt. Das zugehörige Plakat, welches die Marketingabteilung da für die Pressemitteilung in die Höhe reckt, ist dann aber irreführend. Man redet dort von den besten Papas Locas im Aridaneal. Das ist aber nicht korrekt. Da gibt es auch gar keine Diskussion, die besten gibt es in der Ruta 22, das ist auch im Aridanetal, aber eben in El Paso. Wobei man nun eben sehen muss, was dabei rauskommt. Schließlich ist das „Gericht“ ja recht variabel, was die Zutaten angeht. Und deshalb wird die ein oder andere Lokalität da sicher eine Extraversion für den Wettbewerb kreieren. Vielleicht mit Austern oder Kaviar. Wichtig sind am Ende nur Ketchup, Mayo und der Senf.