Beben

Richtig weiß man gar nicht, was man heute sagen soll. Die Situation ist verehrend. Heute Nacht ist die Lava ins Zentrum von La Laguna vorgerückt, Heute am Tag sind dann sowohl die Tankstelle als auch die Apotheke vernichtet worden. Das es so kommt, war im Prinzip die Hoffnung, minimal am eigentlichen Ortskern vorbei, zudem der Teil der Verbindungsstrasse Richtung Tazacorte auf der rechten Seite wesentlich dichter besiedelt ist. Allerdings klappt das wohl so nicht. Ein kleiner Lavafinger ist bereits gestern bis kurz vor die Schule vorgerückt und hat das Bananenlager auf der anderen Straßenseite verschluckt und nun läuft der Strom die letzten Meter bis zur Kreuzung den Camino Cumplido herunter. Und weil immer das Prinzip Hoffnung gilt, wünschen wir uns alle, dass die Lava links am Montaña vorbeigehen mag. Dort ist ja der Hauptstrom, der zuvor den Spar überrollt hat schon langgelaufen. Dann bitte einen Impuls, damit endlich das Meer erreicht wird. Wenn der Berg an der Nordseite umlaufen werden sollte, dann wird es für verschiedene Bereiche von Tazacorte auch noch gefährlich. Vor allem San Borondón wäre dann in höchster Gefahr. Mittlerweile bin ich fassungslos über meine eigene Haltung. Bis gestern war noch die Hoffnung, dass das Zentrum von La Laguna halten könnte. Ich glaube nicht an Wunder, und es scheint recht klar zu sein, dass morgen nicht mehr viel des Ortskerns übrig sein wird. Und so gehen die Gedanken immer schon weiter, immer von der Panik getrieben, welche Siedlung noch betroffen sein könnte. Ich bin weit davon entfernt dem Namenlosen eine Persönlichkeit zu zusprechen, aber wenn er eine hätte, dann wäre er wahrscheinlich mit dem miesesten Charakter gesegnet, den man sich vorstellen kann. Man könnte wirklich langsam eine Absicht oder gar ein System hinter dem Verhalten vermuten. Es ist jetzt schon das dritte Mal, dass die Lava kurz vor dem Eintritt ins Meer war, und dann einfach angehalten hat. Die Konsequenz waren dann immer neue Lavazungen, die immer weitere Zerstörung mit sich gebracht hat.  Und, wie uns heute gesagt wurde, sind wir noch nicht am Ende der Geschichte. Nichts aber auch gar nichts deutet auf ein schnelles Ende des Geschehens hin. Die ganzen Strohhalme, die wir uns selbst basteln, sind meist am nächsten Tag bereits wieder Makulatur. Der Rückgang der Erdbeben von gestern war wohl auch nur eine kleine, bescheidene Verschnaufpause.

Gestern Abend gab es dann auch das bisher heftigste Beben mit einer Stärke von 4,8 mlbg in einer Tiefe von 38 Km. Das Beben wurde mit einer Intensität von 5 registriert. Hierbei gibt es einen wichtigen Unterschied. Die Magnitude bezeichnet die freigesetzte Energie. Die Intensität wiederum ist der Wert, wie ein solches Beben wahrgenommen wird. Ich selber, hatte das Gefühl, das soll jetzt kein Witz sein, dass mein Gehirn in der in der umliegenden Flüssigkeit vibriert hat. Das Beben gestern Abend hat auch für mächtig Unruhe auf der Insel gesorgt. Schuld daran hat das Meldesystem des IGN. Nach wenigen Minuten taucht das Beben dann in der Statistik auf, allerdings wird dies automatisch generiert und dann später mit den Daten der einzelnen Messstationen genau lokalisiert und eingeordnet. Das bedeutet, dass sowohl Stärke und auch Ort meist ein bis zweimal korrigiert werden. Wer regelmäßig nach einer starken Erschütterung die Seite des IGN aktualisiert der, kennt das schon. Seit Wochen kursieren lustige Bilder eines Videoassistenten über die Insel, der sich die Sache nochmal anschauen muss.

Allerdings wird mittlerweile verschwörerisch behauptet, dass das IGN die Werte absichtlich nach unten korrigieren würde. Die Begründungen gehen von arglistiger Täuschung, bis zu einem Auftrag der Regierung, dass kein Beben über 4,5 angezeigt werden dürfe, weil die Verwaltung sonst im Falle von Schäden haftbar gemacht werden könnte. Jetzt tauchen ja aber regelmäßig Beben über 4,5 in der offiziellen Liste auf. Und ich habe jetzt auch schon mehrfach erlebt, dass der Wert nach oben und nicht nach unten korrigiert wurde. Hier rennen soviel Wissenschaftler über die Insel, von verschiedenen Institutionen und Forschungseinrichtungen, eine geplante Manipulation ist somit kaum zu realisieren. Manipulativ sind dabei eher Meldungen, die über die asozialen Netzwerke laufen. So wurde hier z.B. die Titelseite der Onlinezeitung eltime.es manipuliert. In der Fälschung war plötzlich zu lesen, dass INVOLCAN die Evakuierung der gesamten Insel, wegen der Erdbeben planen würde, was diese heute auf allen Kanälen verneint haben. Es scheint aber wirklich so, als ob es hier Leute geben würde, die eine Agenda betreiben würden. Im Klassenchat meiner Tochter hat eine übereifrige Mutter diese Sache massiv voran getrieben und unterstellte eine böswillige Gefährdung unseres Nachwuchses. Das Resultat war, dass heute nur 8 von 22 Kindern in der Schule waren. In der Parallelklasse haben nur 2 Kinder gefehlt.

Ob das jetzt an den Vorwürfen der Manipulation liegt oder nicht, kann ich nicht beantworten, aber Maria José Blanco, die Vorsitzende des IGN hat heute berichtet, dass es auch weiterhin zu deutlich spürbaren Erdbeben kommen könnte. Hierbei sei mit einer Intensität von bis zur Stufe 6 zu rechnen. Im dazugehörigen Zeitungsartikel waren dann auch noch Anweisungen, wie wir uns im Falle eines Bebens verhalten sollen. Das verunsichert dann natürlich schon ein wenig, wenn man gesagt bekommt, dass man sich unter einen Türrahmen oder unter einen stabilen Tisch begeben soll. Wenn das nachts passiert, was soll man da machen? Die Familie kann ja schlecht geschlossen unter dem Esstisch schlafen. Ganz im Ernst, wir haben hier einen heftigen Vulkanausbruch, und wir haben nicht einen einzigen Verletzten oder gar Toten zu beklagen. Solange die Behörden nicht richtig Alarm schlagen, kann man da vielleicht schon mal etwas Vertrauen aufbringen. Bisher gibt es heute aber doch noch eine Auffälligkeit, bei der Bebentätigkeit. Es ist ja so, dass die Beben entweder in einer Tiefenregion von 30 bis 40 km Tiefe liegen, oder zwischen 9 und 15 km. Dazwischen gibt es nichts. Wer positiv denken mag, könnte zu dem Schluss kommen, dass da gar kein Magma von unten aufsteigt, sonst müsste es ja auch in den Zwischenregionen wackeln, was bei den Beben vor dem Ausbruch auch der Fall war. Wir hatten in den letzten Tagen streckenweise bis zu 30 Beben in großer Tiefe. Vorgestern waren es 17, gestern 7 und heute bisher nur 2. Wenn mir das einer vernünftig erklären könnte, dann wäre ich dankbar.

Spur heute: Hund

Wer übrigens glaubt, dass La Palma gerade ein sicheres Reiseziel sei, der sollte sich das gut überlegen. Asche und Erdbeben sprechen dagegen. Allerdings, und das kann man nach 4 Wochen Vulkan gerne auch mal thematisieren:

Die 7-Tagesinzidenz der Insel in Sachen Covid liegt seit heute bei 0.