Warum machen die das nicht so?

Das ist gerade die meistgestellte Frage hier im Tal. Gemeint sind die Verantwortlichen, die gefälligst dafür Sorge zu tragen haben, dass es hier endlich mal vorwärts geht und wir möglichst schnell aus dem postvulkanischen Dilemma herauskommen. Die Frage ist durchaus berechtigt, allerdings ist der Adressat der Frage nicht immer so eindeutig. Vieles verstehen wir nicht. Warum klappt das in Puerto Naos nicht, und wann sagt man uns wie es weitergeht? Warum wird die Küstenstraße gebaut, und brauchen wir die überhaupt? Ist das Beschäftigungsprogram von GESPLAN sinnvoll? Warum dauert es so lange mit den Hilfen? Wo sind die Spendengelder und warum bekomme ich nichts? Wo bleibt eigentlich meine Baugenehmigung, schließlich habe ich mein Haus verloren und möchte möglichst schnell in mein neues Eigenheim. Das sind ganz viel Fragen und es gibt etliche mehr, wobei jede einzelne absolut berechtigt ist. Wenn man dann diese Fragen nicht beantwortet bekommt, dann erzeugt das Frust. Dass die Herrschaften der Inselregierung, allen voran Mariano Zapata, keine Meister der Kommunikation sind, ist mittlerweile allen klar, aber diese Erkenntnis bringt uns nicht wirklich weiter. Im Gegenteil wir beginnen an verschiedenen Stellen Verschwörungen zu wittern, was, wenn man einen Sachverhalt nicht überblickt, häufig eine recht normale Reaktion ist. Wünschenswert wäre also, dass man uns erklärt, warum was wie gemacht wird. Jetzt bin ich der Letzte, der es wagen würde eine Regierung der konservativen PP in Schutz zu nehmen, zumindest bei seinen öffentlichen Auftritten schaffen die es nicht wirklich zu glänzen. Und wer seiner Frau in so einer Situation auch noch Posten verschafft, oder die Dreistigkeit besitzt, die Bevölkerung damit zu beruhigen, dass der Markt die Sache mit den überhöhten Grundstückspreisen schon regeln wird, der glänzt nicht gerade durch Empathie gegenüber Menschen, die sich Zukunftsängsten ausgesetzt sieht. Gleichzeitig ist es der Verwaltung natürlich wichtig, jeden Erfolg in Sachen Lavabeseitigung entsprechend medienwirksam auszuschlachten. In dem ganzen Frust können wir die Erfolge aber gar nicht mehr anerkennen.

Und wir haben noch ein ganz anderes Problem, wir sind nämlich massivsten Partikularinteressen ausgesetzt, die alle, aber wirklich alle, ihre Berechtigung haben. Und wenn man sich den Umstand klar macht, dann kann man vielleicht auch ein wenig verstehen, warum wir so viele Sachen nicht nachvollziehen können. Das bedeutet nicht, dass man mit den Entscheidungen einverstanden sein muss, aber es hilft beim Verstehen. Ein wenig scheint es gerade so, als ob die lokale Politik bei allen Entscheidungen massiv getrieben wird, weil so ziemlich jede Interessengruppe, völlig zurecht, Unterstützung einfordert. Wie ich es aber dann mache, ist dann auf jeden Fall falsch. Paradebeispiel hierfür war das einheitliche Register für die Vulkangeschädigten. Lange, viel zu lange hat es gedauert, bis alle Anträge aufgenommen waren und die Gelder verteilt wurden. In El Paso ist dann der Verwaltung der Kragen geplatzt, und man kam zu dem Schluss, dass man das Prozedere im Interesse der Betroffenen verkürzen möchte und einfach mit den Auszahlungen beginnt. Viel Lob hat unser Bürgermeister damals erhalten. Nun einige Monate später fängt der Wind an sich zu drehen. Stück für Stück kam nämlich raus, dass so mancher in El Paso Gelder bekommen hat, der gar kein Anrecht darauf hatte. Aber die Kohle ist nun weg. Jemandem der deswegen nun entsprechend weniger bekommt, aber darauf angewiesen wäre, ist so ein Sachverhalt nicht wirklich zu vermitteln. Ähnlich verhält es sich mit der Küstenstraße. Die aus Tazacorte wollen die nicht, was verständlich ist, die aus La Laguna wünschen sich diese, weil die momentan den ganzen Pistenverkehr am Hals haben und durch den Verlust des halben Dorfes genug gebeutelt sind. Verzichte ich aber auf die Küstenstraße, dann würde es sicherlich eine Bürgerinitiative der Anwohner aus Las Manchas und La Laguna geben, die mit allem was sie haben loswettern würden. Man kann diese Beispiele unbegrenzt fortschreiben. Man könnte sich zum Beispiel über die teilweise unsinnigen Aufgaben des Beschäftigungsprogramms aufregen, oder sagen, dass es besser ist, dass die Leute halt eine wenig nutzvolle Arbeit haben, anstatt vollalimentiert zuhause zu sitzen und nichts zu tun. Wobei einem natürlich, bei genauerer Betrachtung zig sinnvolle Aufgaben einfallen würden. So könnte man z.B. das Personal in Puerto Naos erhöhen und damit mehr Möglichkeiten schaffen, dass die Anwohner dorthin können um nach dem rechten zu sehen.

Gerade in Puerto Naos zeigt sich aber gerade die gesamte Informationsgrütze. Es wird nämlich nicht wirklich klar kommuniziert. Hauptproblem bleibt, dass man nicht weiß, wann und wie sich die Situation dort ändern soll. Vielleicht wäre es ratsam das aber mal genau so zu benennen und nicht so zu tun, als ob alles nach Plan laufen würde. Nicht mal die Wissenschaft wagt es hier eine Prognose zu stellen. Und natürlich können die Betroffenen von dort nicht nachvollziehen, warum man in die eine Ecke darf und in die andere nicht. Objektiv, wenn man ein wenig nachforscht, kann einem das schon klar werden, schließlich sind die Gasgehalte dort unten an verschiedenen Stellen recht unterschiedlich. Die Politik wäre nun gefragt, hier eine entsprechende Erklärung abzugeben und mitzuteilen, warum man, als Normalsterblicher auch nicht in die Gegenden darf, wo die Werte akzeptabel sind. Auch das kann man sich irgendwie zusammenreimen, schließlich waren die hier von Anfang an sehr vorsichtig und haben alles daran gesetzt Menschenleben zu schützen. Ein Grund könnte sein, dass man befürchtet, dass dies für noch mehr Unmut sorgen würde, wenn nur Teile geöffnet würden, ein anderer, und das stammt nicht von mir, sondern von einer palmerischen Bewohnerin aus Puerto Naos, könnte sein, dass man uns hier nicht zutraut, dass wir uns dann an die Begrenzungen halten würde. Nur ganz kurz die Vorstellung, dass da dann was passiert. Die Reaktionen wären verheerend. Und natürlich ist es politisch nicht gerade ratsam, der eigenen Bevölkerung öffentlich die Unfähigkeit zu attestieren. Allerdings ist es vielleicht auch nicht sonderlich clever gar nichts zu sagen, und pauschal auf die potentiell giftigen CO2-Werte zu verweisen. Das sorgt bei manchen nämlich dafür, dass die große Verschwörung gewittert wird. Dabei wäre gerade keine Entscheidung populärer als einfach zu öffnen, schließlich sind bald Wahlen. Die Tatsache, dass man nicht nach Puerto Naos gelangt, bringt aber die Politiker nicht gerade weiter nach oben, auf dem Stimmzettel. Gleichzeitig unterstellen wir aber stetig, dass es bei den Entscheidungen nur um Machterhalt gehen würde.

Und wir sind ja nun nicht nur den Interessen der Betroffenen ausgesetzt. Paradebeispiel hierfür, ist die Aussage vom Kanarenpräsident Torres, dass er die Lava nicht unter Naturschutz stellen möchte, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, dass Sie selbst entscheiden, was mit ihrem verschütteten Land geschieht. Die Wissenschaftler sehen das aber ganz anders. Schließlich ist so ein Lavafeld ein prima Forschungsobjekt und soll deswegen unter Schutz gestellt werden. Schwups tauchen da Pläne auf, die mal so gar nicht mit der Aussage von Torres in Einklang zu bringen sind, was wieder für Frust und Unmut sorgt. Problematisch ist dabei, dass, nach spanischem Recht, das Zeug eben unter Naturschutz zu stellen ist. Torres meinte nur ganz clever, dass er das eben unterschreiben müsse, und nicht vorhabe dies zu tun. Ob er damit durchkommt bleibt fraglich. Das wiederum die Vulkanologen ihr Forschungslavafeld haben möchten, ist aus deren Sicht nach zu vollziehen. Die haben eben eine andere Sicht auf die Dinge. Natürlich ist die Geschichte, in Anbetracht des sozialen Dramas, doch bitte anders zu lösen, aber wenn man sich den Umstand klar macht, kann man zumindest verstehen, warum solche Karten auftauchen. Es wäre nun vielleicht ratsam, dass die Politik dieses, vielleicht auch rechtliche Dilemma, erklärt, und damit auch den Prozess, wie die endgültige Entscheidung zustande gekommen sein wird, entsprechend transparent macht.

Es ist nun fast ein Jahr her, dass der Vulkan losgelegt hat, und wir hatten alle an sehr hohe Erwartungshaltung, was alles passieren würde, wenn es erstmal rum ist. Die Politik hat da natürlich ihren Teil dazu beigetragen. Das Versprechen von schneller Hilfe war aber in der Situation auch mehr als notwendig, das hat uns über Wasser gehalten. Und so mancher der sein Haus verloren hatte, sah sich schon, am Tag nach Beendigung des Ausbruchs am Betonmischer stehen um sein neues Heim zu bauen. Dass uns die Psychologen von Beginn an gewarnt haben, dass das Dicke Ende erst noch kommen würde, weil alles elend schleppend vorwärts gehen würde, haben wir ignoriert, was auch wiederum komplett verständlich ist. Ganz nüchtern betrachtet, sind wir immer noch nicht am dicken Ende angelangt. Die Wohnungsnot ist eklatant, es gibt sogar Sekundäropfer, deren Haus, in dem Sie zur Miete wohnten, verkauft wurde, oder nun von den Eigentümern selbst genutzt wird. Diese Leute verlassen jetzt die Insel, weil Sie keinerlei Anrecht auf Hilfe haben. Wir haben hier jede Menge Arbeitsplätze verloren, die gerade durch ein Beschäftigungsprogramm aufgefangen werden. Niemand hat derzeit einen Plan, wie neue reguläre Arbeitsplätze entstehen könnten, und so droht uns hier irgendwann die massive Rezession. Und dann gibt es noch den Aspekt, dass wir hier auch eine Art kollektives Trauma haben, ganz unabhängig von den persönlichen Verlusten. Wir haben hier neben unzähligen Barrios auch ein ganzes Dorf, mit Infrastruktur und allem drum und dran verloren. Das betrifft vor allem die Leute, die ihren Lebensmittelpunkt in Todoque hatten, aber auch alle anderen hier im Tal. Die hässliche schwarze Narbe bleibt und wir müssen alle lernen, mit dem neuen Erscheinungsbild zu leben. Es gibt hier im Tal noch etliche Leute, die bislang nicht über die Lava gefahren sind, ganz einfach, weil Sie Angst haben das zu sehen. Vielleicht wäre es wünschenswert, wenn die Politik hier klar benennen würde, dass ihnen die schwierige Situation, in der wir leben, bewusst ist. Gerne auch mit der eigenen Hilflosigkeit, was den großen Plan angeht, verbunden. Zumindest würde das die Möglichkeit schaffen, über so einen Plan zu reden. Dass wir momentan noch nicht an dem Punkt sind, ist ebenfalls logisch. Wir löschen hier in Sachen Wohnungsnot, Straßen und Beschäftigung immer noch nur die akuten Brandherde. Irgendwann muss aber die große Idee her, und was dabei Angst macht, ist unserer Unfähigkeit am großen Rad zu drehen, was uns zwar in der Vergangenheit, trotz hochtrabender Pläne, vor so mancher Dummheit gerettet hat, diesmal aber verhängnisvoll sein kann. Vielleicht hilft, die Tatsache, dass wir es in der Vergangenheit nicht so gepackt haben, aber nun ein wenig in der Bewertung der momentanen Situation. Dafür, dass wir eigentlich nichts richtig können, ging in den letzten Monaten nämlich schon verdammt viel. Wenn man sich anschaut, wie es hier kurz nach dem Ausbruch aussah und das mit jetzt vergleicht. Selbst mit der Piste über die Lava ist man schneller gewesen als gedacht, und die Straße zwischen Las Norias und Las Manchas, die bereits während des Ausbruchs gebaut wurde, erweist nun als Hauptgewinn und es wurde geschafft den Zugang zu rund 200 Häusern zu legen, die von der Lava abgeschnitten waren. Das macht die Sachen die im Argen liegen nicht besser, aber es hilft vielleicht sich die Geschichte manchmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.