Wir sind noch da!

Dienstag, 24.3.2020 – 16:45 Uhr – El Paso

Hallo, sicherlich haben in den letzten Tagen einige Leute auf dieser Seite nachgeschaut, und sich gewundert, dass es keinerlei Informationen zum „Ausnahmezustand“ hier auf der Insel gibt. Das hat vor allem 2 Gründe: Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, befinden wir uns, sowohl als Firma als auch als Familie, eben gerade auch im Ausnahmezustand. Irgendwie geht es uns ja auch so, dass wir damit nicht gerechnet haben, und rückblickend war man da auch ganz schön blauäugig, da man ja schon die ganze Zeit die Nachrichten aus Italien mitbekommen hat. Uns war auch klar, dass diese Situation irgendwann so eintreten wird, nur haben wir nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen wird.

Man dachte immer, dass es zuerst einmal die „Hotspots“, wie Madrid betreffen würde. Als dann die Meldung letzte Woche am Samstag durch die Medien ging, mussten wir als Firma dann direkt auf Krisenmodus schalten und alle Gäste, die kurz vor der Anreise standen informieren. Im Anschluss waren dann die Gäste dran, die sich bereits auf der Insel befunden haben. Irgendwie reagieren wir nur noch im Krisenmodus, da wir immer nur auf die neuen Entwicklungen reagieren können. Es gibt hier überhaupt keinen Stand der Dinge mehr, da sich alles laufend verändert. Wir würden liebend gerne unseren Gästen, von denen immer noch ein paar vor Ort sind, verlässliche Informationen geben, aber solche Informationen haben gerade eine Halbwertszeit von wenigen Stunden. Deshalb habe ich auch bewusst hier auf der Seite keinen Beitrag verfasst. Wer auf anderen Blogs und Foren über La Palma im Laufe der Woche nachgeschaut hat, hat vielleicht auch festgestellt, dass jeder irgendwas zu wissen glaubt, von irgendwo diese und jene Information bekommen hat, und so weiter. Man muss sich auch die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, alles was man in der lokalen Presse liest, eins zu eins zu übernehmen und eben nicht erst zu schauen, was diese neue Information am Ende wirklich bedeutet. So z.B. die Meldung über die Schließung sämtlicher touristischen Unterkünfte, die zwar faktisch richtig war und ist, aber einen Großteil der sich hier befindlichen Gäste zum einen nicht betrifft und zum anderen massive Verunsicherung ausgelöst hat.

Wenn man nämlich ein wenig den eigenen Denkapparat in Gang setzt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass es nicht sein kann, dass die sich vor Ort befindlichen Touristen nicht auf die Straße begeben dürfen, aber dann auf eben jene gesetzt werden sollen. Was sollen die Gäste denn machen? Der planmäßige Rückflug findet nicht statt, stattdessen wurde auf einen anderen Rückflug umgebucht, der wurde dann am folgenden Tag auch wieder gestrichen und das Spiel beginnt von neuem. Wenn man versucht, sich auf dem Server des Auswärtigen Amtes für die „Bigraushole“ anzumelden, ist dieser derartig überlastet, dass er ständig zusammenbricht. Auf der Condorseite ging das schneller, aber man erhielt dort nur die Info, dass die Daten an das Amt weitergeleitet werden, und eben nicht, wann es zurück geht. Dann noch den Leuten ungefiltert mitzuteilen, dass Sie demnächst auf der Straße stehen werden halte ich, gelinde gesagt nicht nur für unverantwortlich, sondern auch für sackdoof. Wir haben alle unsere Gäste natürlich auch darüber informiert, aber eben in einem persönlichen Telefonat oder per Mail und immer verbunden, mit der Information, dass wir alles tun werden, dass sie jetzt nicht auch noch aus ihrer Unterkunft fliegen werden.

Hier möchte ich aber jetzt mal all unseren Gästen „Danke“ sagen. Der Umgang hier mit der Situation war und ist, von den paar wenigen, die es noch nicht geschafft haben weg zu kommen, wirklich fantastisch. Die Situation ist ja nun mal eine andere als damals mit dem unaussprechlichen Vulkan, da konnte man sich ja wenigstens noch frei bewegen. Auch hier waren alle bereit sich an die geänderte Situation anzupassen und sich an die Auflagen zu halten. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass man nicht mal in den Wald gehen darf um spazieren zu gehen, aber die Regelungen gelten jetzt erst mal für das ganze Land und alle sehen auch ein, dass in so einer Situation die Verantwortlichen mit anderen Dingen beschäftigt sind, als sich um die Urlauber zu kümmern.

Und auch die Gäste, deren Urlaub in den nächsten Wochen angestanden hätte, haben toll reagiert. Wir haben allen Urlaubern eine Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt angeboten und bei einer Stornierung auf die Ausfalltabelle in den AGBs verzichtet. Das Ganze ging so weit, dass uns angeboten wurde, dass die Urlauber uns das Geld für den abgesagten Urlaub dennoch überweisen wollten und wir das als Gutschein für eine spätere Buchung irgendwann stehen lassen sollen, oder dass uns eine freiwillige Zahlung angeboten wurde, da es ja gerade für alle schwer sei. Wir haben solche Angebote abgelehnt und dennoch ist es so, dass solche Gesten ankommen und wahrscheinlich mehr helfen als das Geld.

Wir haben aber auch festgestellt, dass wir tolle Hausbesitzer haben, keiner kam auch nur auf die Idee sich darüber zu beschweren, dass wir auf das Geld aus der Ausfalltabelle verzichtet haben, die Haltung ist generell die, dass es gerade für alle eine schwierige Situation ist und dass wir hier auch nur gemeinsam wieder rauskommen.

Grundsätzlich erlebt man hier einen recht solidarischen Umgang. Der Gang zum Supermarkt, der immer nur einer Person erlaubt ist, zeigt dies Tag für Tag. Man grüßt sich, macht sich Mut und merkt doch gleichzeitig bei allen die schwere Stimmung. Und gerade deswegen bemüht man sich umso mehr, dass man wenigstens für den anderen ein aufmunterndes Lächeln übrig hat. Der HiperDino ist auch nicht leergekauft. Man holt sich eben das, was man braucht, die Regale sind voll und das Personal ist freundlich. Letzte Woche gab es wohl im Lidl in Los Llanos kaum noch Nudeln und gar kein Klopapier mehr, sie dürfen gerne raten welche Landsmänner da vorrangig einkaufen. Eine Woche im Krisenmodus sorgt zumindest bei mir dafür, dass ich mich schon an die neue Situation gewöhnt habe. Das bedeutet aber mitnichten, dass es mir damit gut geht, eher das Gegenteil ist der Fall. Realistisch betrachtet dauert der Spaß nämlich noch eine ganze Weile an, und die medialen Informationen, sowohl in Deutschland als auch in Spanien, machen auch nicht gerade Mut. Ich habe mir vorgenommen, dass ich mir das ein bisschen weniger antun werde, aus purem Selbstschutz, weiß aber schon jetzt, dass ich das sowieso nicht hinbekommen werde.

Und bisher haben wir es auch vermieden, dass wir unserer Tochter gesagt haben, dass es dieses Schuljahr wahrscheinlich nichts mehr wird, dass der normale Alltag wiedereinsetzt. Stattdessen haben wir gerade Unterricht zu Hause. Die Kids bekommen täglich von ihren Lehrern Arbeitsblätter zugeschickt, die wir dann ausdrucken und mit ihnen durchgehen müssen. Das nimmt auch Zeit in Anspruch, und man merkt dann eben doch, dass die eigenen Spanisch-Kenntnisse an Grenzen stoßen, um die Aufgaben eines Fünftklässlers zu kapieren. Aber der Große bekommt das auch schon ganz gut alleine hin, ist ja ein cleveres Kerlchen. Die Zwei leiden aber schon unter massiver Langeweile, aber meine Frau ist ziemlich gut darin sich Bespassungsaktivitäten auszudenken. Dennoch bleibt die Stimmung im Haus nicht gerade entspannt, wenn der Große nicht einfach mal in die Bücherei oder auf die Plaza zum Kicken gehen kann. Stattdessen hängt der junge Mann viel an seinem Laptop. Ich hätte mir jedoch bis vor 2 Wochen nicht träumen lassen, dass es mir lieber sein könnte das Sohnemann Ballerspiele im Internet spielt, statt sich durch Zeit-online oder El Pais zu klicken und sich selbst mit Information über die Ansteckungs- oder Todesraten zu füttern. So stolz ich auf den jungen Mann auch bin, dass er das Internet sinnvoll nutzt, in der momentanen Lage hätte ich lieber einen gewöhnlichen 10jährigen, der sich für das letzte Social-Media-Posting von Christiano Ronaldo interessiert, statt für das momentane Geschehen auf der Welt, dass wir Erwachsenen nicht mal richtig verarbeiten können.

So und jetzt zum Abschluss noch was Schönes: In den letzten Wochen sind wir ja alle mit jeder Menge lustigen Filmchen und Beiträgen zum Thema Corona und Klopapier konfrontiert worden. Langsam geht es aber zumindest mir damit so, dass sich das irgendwie totgelaufen hat, weil man eben doch nach und nach feststellt, dass die Situation ernster ist, als man Sie sich bis vor kurzem eingestanden hat. Dieser Film ist aber etwas Besonderes. Pachi heißt der Hauptprotagonist darin. Dabei handelt es sich um einen Beamten der Policia Local in Tazacorte. Irgendwie kam der Mann auf die Idee seinen Mitbürgern eine Freude und damit Mut zu machen und hat sich was ausgedacht. Hier kursieren mittlerweile unzählige Varianten durch die sozialen Medien, jeweils von den Balkonen oder der Haustür aus, an verschiedenen Stellen in Tazacorte, mit dem Handy aufgenommen. Wo Pachi auftaucht klatschen die Leute und freuen sich einfach über diese besondere Geste.