Masterplan – wie die Krise den Populismus hervorlockt

In der momentanen Krisensituation wird ja gerne erzählt, dass darin auch eine Chance für Veränderung liegen würde, und das zum Positiven. Die Solidarität innerhalb der Bevölkerung wächst, Nachbarn unterstützen sich gegenseitig beim Einkaufen und die blöde Krankenschwester, die noch vor kurzem selbst für ihren schlechten Verdienst verantwortlich gemacht wurde, sie hätte ja auch was Vernünftiges lernen können, erfährt eine ungeahnte Hochachtung. Ich selber gehöre traditionell zu den Pessimisten und glaube nicht, dass wir als Gesellschaft längerfristig zusammenwachsen werden, sondern erwarte eher das Gegenteil. Sobald die Verteilungskämpfe zur Krisensanierung richtig losgehen, werden wahrscheinlich wieder die Ellenbogen ausgefahren. In Krisenzeiten, wenn das Geld knapp wird, ist sich dann jeder wieder selbst der nächste. International sehen wir das schon, Coronabonds gibt es nicht, da die Italiener und die Spanier ja an der wirtschaftlichen Schieflage selbst schuld sind, schließlich sollen die erstmal lernen so fleißig zu sein wie der Deutsche oder der Holländer. Auch Masken und Schutzkleidung werden sich munter gegenseitig weggeschnappt oder ein Exportverbot verhängt. Dafür werden dann medienwirksam eine Handvoll Schwererkrankte aus Italien und dem Elsass in deutschen Kliniken behandelt, und man wertet das als Zeichen der großen europäischen Solidarität. Das sollen die uns bitte niemals vergessen, dass wir so nett zu denen waren. Übrigens, innerhalb von Spanien klappt das gar nicht so gut, da unser föderal organisiertes Gesundheitssystem dafür sorgt, dass jede Region selbst für sich wurschtelt. Dabei wäre es schon ganz geschickt gewesen, Kranke aus Madrid in eine weniger betroffene Region zu verlegen.

Auch hier wird mittlerweile darüber diskutiert, wie es denn überhaupt weiter gehen soll. Und im „Diario de Avisios“ einer kanarischen Regionalzeitung wurden hierbei heute heftige Geschütze aufgefahren. Unbestritten ist ja, dass die Kanaren aufgrund der europäischen Randlage, als Teil Spaniens gerne in Vergessenheit geraten. Der Canario hat der Regierung in Madrid gegenüber gerne den gleichen Komplex, wie der Palmero gegenüber der Kanarenregierung, nämlich als kleiner unbedeutender Teil wahr genommen zu werden. Es ist auch nicht ganz falsch, dass die Inseln, aufgrund der Abhängigkeit vom Tourismus, von der momentanen Situation besonders gebeutelt werden. Also muss jetzt dringend ein Plan her, ein Master- bzw. ein Marshallplan soll es sein, um der drohenden Armut hier auf den Inseln etwas entgegenzusetzen. Ich als Pessimist halte solch einen Plan auch für dringend notwendig, und die Sorge, dass man hier in Vergessenheit geraten könnte, das Wählerpotenzial ist ja auch nicht ganz so hoch, kann ich auch nachvollziehen. Der Autor des Artikels meldet aber schon mal vorsorglich, dass es sich bei den Canarios um ein friedliebendes Völkchen handeln würde, dass bei Bedarf aber einem schlafenden Vulkan gleichen würde. Man sei hier nicht Katalonien oder das Baskenland, aber mit uns ist wohl auch nicht zu scherzen. Im Zuge des Artikels werden die Inseln dann als letzte verbliebene Kolonie bezeichnet, um die man sich gefälligst zu kümmern hätte. Hierbei werden dann die Wohltaten der vergangenen Regierungen aufgelistet, die dafür gesorgt haben, dass die Canarios sich doch als Spanier fühlen. Die jetzige Regierung unter Pedro Sánchez sollte also dann dringend mal in den Geschichtsarchiven blättern, um zu schauen was notwendig ist, dass wir bei Laune gehalten werden. Die Zeitungen hier verstehen es ganz gut ins populistische Horn zu stoßen, und es stimmt, dass sich so einige hier in erster Linie als Canarios und nicht als Spanier sehen. Das erklärt auch immer wieder die Wahlerfolge der Coalitión Canarias, die hier als „nationalistische“ Partei bezeichnet wird. Polititisch steht diese Partei weder links noch rechts, sondern ausschließlich da, wo sich am meisten Wählerstimmen finden lassen, und im Zweifel steht man politisch immer in der Nähe des eigenen Geldbeutels. Mir geht dieses nationalistische Identitätsgetue mächtig auf die Cojones, und ich komme da auch nicht wirklich mit, was eine nationale Identität bringen soll. Ich jedenfalls möchte sowas nicht haben, nicht mal geschenkt.

Aber schauen wir mal, ob sich die Regierung in Madrid von so einer Drohkulisse einer Regionalzeitung beeindrucken lässt und fleißig Geld überweisen wird. Vielleicht haben die aber auch ganz andere Probleme grad. Wir sind vielleicht ein schlafender Vulkan hier, aber Madrid ist ja weit genug weg, dass eine etwaige Eruption vielleicht nur als kleines Rauchwölkchen am Horizont über dem Atlantik wargenommen wird.