Da hat man sich irgendwie selbst ins Bein geschossen, aber damit war ja auch zu rechnen. Nach 7 Wochen haben sie uns gestern raus gelassen, und die Leute sind auch raus. Hier auf La Palma hat man auch einige Spaziergänger und Jogger von der hauseigenen Dachterrasse erspähen können, aber die Fotos aus den Regionalzeitungen, die man gestern von den großen Inseln zu sehen bekam, hatten es schon in sich. Um 6Uhr gab es den Startschuss, und da man den „Normalos“ nur ein Zeitfenster bis 10 Uhr gelassen hat, trat das ein, was viele befürchtet haben. Die Promenaden waren randvoll mit Fußgängern, Radfahren und Joggern. Am Strand von Las Canteras auf Gran Canaria, waren rund 800 Surfer im Wasser. Viele dieser Leute leben ja nur dort, um regelmäßig zu surfen, wegen dem Lebensgefühl oder so was. Ich versteh das ja nicht wirklich. Aber da wollte wohl jeder der erste sein.
So war das aber alles nicht geplant, wir sollten uns doch voneinander fernhalten, das war aber wohl gar nicht so richtig möglich. Pünktlich um 10 Uhr war dann auch wieder Ruhe. Da durften ja die Vulnerablen raus, und die haben das nicht so mit dem Sport, sondern sind nur ein wenig vor der eigenen Haustür flaniert, aber die alten Knochen sind in den letzten Wochen wohl auch eingerostet. Von Mittag bis 19 Uhr sind dann wieder die unter 14Jährigen dran gewesen, und auch da war nicht richtig was los. Allerdings haben wir bei unserem heutigen Freilauf doch auch mal ein paar andere Eltern mit Ihrem Nachwuchs gesichtet. Ab 20 Uhr kommt es dann zur 2. Runde der Normalos, die zwar illegal ist, aber doch auch nicht wirklich nachprüfbar. Jedenfalls haben die knappen Zeitfenster in einigen Regionen doch auch für einen Stau gesorgt.
Im Ganzen muss man sagen, dass man das Gefühl hat, dass irgendwie ein Schalter umgelegt worden ist. Hier waren am Samstag plötzlich die Supermärkte voll, und teilweise waren einzelne Dinge nicht mehr verfügbar. Man hat ja die ganzen Wochen über einkaufen gehen können, es war nur immer garnix los. Aber wenn die Regierung uns jetzt eh rauslässt, dann ist es wohl nicht mehr so gefährlich. Ich habe jedenfalls keine wirklich schlüssige Erklärung warum das so ist. Aber irgendwie erschreckt mich das schon. Ich mag ja mittlerweile den Begriff von der 2.Welle nicht mehr hören, da ich persönlich der Ansicht bin, dass man das schon hinbekommen kann, wenn man eigenverantwortlich Abstände einhält und sich nicht gegenseitig in die Körperöffnungen hustet. Wenn wir hier aber jetzt auf die Idee kommen, dass alles wieder so ist wie zuvor, dann kann der Schuss auch gewaltig nach hinten losgehen. Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Man hat hier irgendwie den Eindruck, als ob große Teile der Bevölkerung vom Panikmodus in den alles Ok Zustand geschlittert sind. Gut es gibt immer noch diejenigen, die ihr Kind nicht auf die Straße lassen, weil sie so eine große Angst um eben jenes haben. Die schreien jetzt auch ganz massiv rum, wie verantwortungslos doch alle seien.
Aber auch die Virologen mahnen uns zur Vorsicht. Wobei es auch hier solche und solche gibt. Und hier ist es dann genauso, dass sich die Leute ihren Wissenschaftkönig wählen, und wenn der dann sagt, dass wir uns in Zukunft, wie in China, total überwachen lassen sollen, dann finden dich auch hier Leute, die das gutheißen. Glücklicherweise haben wir aber ganz liberal denkende Personen in der Regierung, und deshalb wird das so nicht passieren.
Hier wurde sogar schon zurückgerudert, oder vielmehr voraus. Ob das auf Druck der Wirtschaft oder eben auch aus eigener Erkenntnis geschehen ist, mag ich nicht beurteilen, aber die Bars und Restaurants dürfen ab dem 11. Mai ihre Terrassen bis zu 50% auffüllen. Das mit den 30% war aber auch von Anfang an nicht praktikabel, und es hätte wohl so gut wie niemand sein Geschäft eröffnet.
Wir dürfen uns auch ab Phase 1 mit bis zu 10 Personen treffen, zumindest draußen. Mir macht das Angst. Nicht weil ich denke, dass wir das mit dem Abstand und der gegenseitigen Ansteckung nicht hinbekommen würden, aber mittlerweile, kann ich mir gar nicht mehr richtig vorstellen mit anderen Menschen, von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren, wenn diese nicht zu meiner Kernfamilie gehören. Ich habe schon früher keinen großen Wert auf Menschen, bzw. auf Ansammlungen von eben solchen gelegt, darum habe ich mich ja auf eine kleine Insel im Atlantik verzogen. Trotzdem bin ich froh, dass wir dies jetzt dann wieder dürfen. Jetzt ist es wieder meine Entscheidung ob ich mich in Gesellschaft begeben möchte oder nicht. Für mich, der manchmal schon auch misantrophobisch veranlagt ist, war das bisher ganz schön hart. Wenn man eh nie nach draußen gehen will, außer vielleicht um bei Emilio einen Kaffee zu trinken, oder zum Fußball vom Lokalclub, dann kann es ganz schön belastend sein, wenn einem die Entscheidung, dass man die ganzen Pappnasen eh gar nicht sehen will, abgenommen wird.