Wir bekommen einen Kindergarten

Wer in den letzten Jahren, von El Paso aus, die Lomos de la Fajana, also die ortsansässigen Petroglyphen besucht hat, dem ist oberhalb des Friedhofes wahrscheinlich die betongraue „Escuela Infantil“ aufgefallen. Escuela ist dabei ein etwas irreführender Ausdruck. Die Schule in Spanien beginnt für das durchschnittliche Kind in dem Jahr in dem es 3 wird. Ab da besteht nämlich das Anrecht auf einen Platz im Colegio. Und 95% der Eltern machen von dem Recht Gebrauch, den Nachwuchs dort unterzubringen. Das ist für deutsche Verhältnisse manchmal schwer zu verstehen, dass es hier so früh losgeht, mit der Schule, aber wenn sie hier ein 3-jähriges Kind fragen, ob es ab dem Sommer dann in die Schule gehen wird, platzt das im Normalfall vor Stolz. Für meine beiden war es sehr wichtig in die Schule zu können, und um ein Kind hier zu integrieren ist das die perfekte Möglichkeit, allem voran was die Sprache angeht. Während ich mich hier immer noch durch die Gegend radebreche, wächst der Nachwuchs komplett bilingual auf.

Vor dem Colegio gibt es normalerweise eine Escuela Infanil. Hier gehen dann die Kids unter 3 Jahren hin, wenn die Eltern arbeiten müssen, aber auch wenn man möchte, dass Kontakt zu Gleichaltrigen besteht. Jede Gemeinde hat sowas, parallel zu den meist privat geführten Parques Infanil, wo Eltern die Sprösslinge auch mal stundenweise abgeben können.

Wir in El Paso hatten sowas bisher als einzige Gemeinde nicht, bzw. eben nur das seit Jahren fertiggestellte Schulgebäude, allerdings ohne Betrieb. Seit etwas über einem Jahr haben wir wieder einen privaten „Kindergarten“, davor aber mehrere Jahre gar nichts. Auf Nachfrage im Rathaus, warum wir sowas nicht haben in El Paso, kam nur die Antwort, dass es ja keine Pflicht sei, und so ein Betrieb ja auch Geld kosten würde.

Wir selbst waren auch von diesem Zustand betroffen. Unsere Zweitgeborene war zunächst in einer Privaten Einrichtung hier im Dorf, bis diese vor über 3 Jahren geschlossen hat. Im Anschluss mussten wir dann eben nach Los Llanos ausweichen und da 2mal täglich, zum Bringen und Abholen, mit dem Auto hin. Die anderen Eltern waren nach der Schließung auch ziemlich empört, dass es in El Paso keinerlei Möglichkeiten mehr gab den eigenen Nachwuchs betreuen zu lassen, obwohl doch das fertige Gebäude seit Jahren ungenutzt rumsteht. Meine nicht ganz ernstgemeinte Initiative zur Rebellion fand aber eher wenig Anklang, zumindest war niemand der anderen Eltern bereit, in Begleitung der Presse, mit Nachwuchs und Wechselwindel bewaffnet ins Rathaus zu gehen und die Kinder im Büro des Bürgermeisters für einige Stunden abzugeben um die zeitnahe Eröffnung der Städtischen Einrichtung entsprechend voran zu treiben.

Jetzt hat aber die sozialistische Regierung in Spanien beschlossen, dass alle Gemeinden, die das Stadtrecht haben verpflichtet sind eine entsprechende Einrichtung zu betreiben. Und da El Paso, neben Santa Cruz und Los Llanos sich eben mit stolzgeschwellter Brust Stadt nennen darf, muss man jetzt eben. Und genau deshalb beginnt der Betrieb in diesem Herbst. In dieser Woche ist es bereits möglich die Kinderchen zum Schnuppern dort abzugeben. Und Sergio, der Bürgermeister wird dann sicherlich zur richtigen Eröffnung eine entsprechende Ansprache halten und sich feiern lassen. Medienwirksam durch die Gegend laufen kann der Mann nämlich vorzüglich und verfügt deshalb trotz Skandalen in der Vergangenheit, wie Umparken eines Rettungswagens im Einsatz oder Bedrohung eines Schiedsrichtergespanns beim Lokalfußball, inklusive Anzeige durch die Betroffenen, über eine satte absolute Mehrheit.