Das Feuer ist kontrolliert und Zahlen

Das Feuer in El Jesus, in der Gemeinde Tifarafe gilt als kontrolliert. Ein Teil der Einsatzkräfte bleibt aber weiterhin vor Ort, um Glutnester zu bekämpfen. Im Gegensatz zum Brand in Garafia scheinen wir diesmal mehr Glück gehabt zu haben. Dennoch mahnt uns dieses Feuer von gestern und auch die beiden Brände von heute nochmals eindringlich Vorsicht walten zu lassen. Auch die zuständigen Politiker bitten ausdrücklich darum, alles was einen Brand auslösen könnte zu vermeiden. Neben offenem Feuer und Materialien die sich leicht entzünden können, soll auch nicht mit Gerätschaften, wie Kettensägen oder Stromgeneratoren in bestimmten, gefährdeten Gebieten gearbeitet werden. Da eben ein winziger Funke ausreichen kann.

Coronatechnisch gab es in den letzten Tagen auf den Kanaren eine leichte Verbesserung im Bezug auf die Anzahl der Neuinfektionen. Letzte Woche gab es einen Spitzenwert von über 380 neuen Fällen in nur 24 Stunden. Gestern ist es gelungen diesen Wert auf 178 zu drücken. Die magische Schwelle, die wir nicht nur erreichen müssen, sondern auch nach Möglichkeit eine ganze Zeit unterbieten sollten liegt bei etwa 150 pro Tag über den Zeitraum von einer Woche. Heute haben wir uns dann wieder von diesem Ziel wegbewegt mit 250 neuen Fällen in den letzten 24 Stunden. An der Aufteilung zwischen den Inseln bleibt aber alles beim alten, wobei natürlich stets die Einwohnerzahl zugrunde gelegt werden muss. Selten aber war so deutlich war wie heute:

Gran Canaria: 182

Lanzarote: 38

Teneriffa: 18

Fuerteventura: 10

El Hierro: 1

La Gomera: 1

La Palma: 0

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass die Reisewarnung für die Inseln der westlichen Provinz ungerecht sei, da wir ja nichts für die Gesamtzahlen können, und man weit unter dem Wert, den das RKI als Grenzwert festlegt, ist. Und klar für unser eigenes Geschäft wäre das natürlich sehr schön, vielleicht würden wir sogar noch von der Reisewarnung für die anderen Inseln profitieren. So einfach ist das aber nicht. Schließlich bilden wir hier eine Gemeinschaft. Wenn man sich mit Menschen vor Ort unterhält, die Verwandschaft auf Gran Canaria haben, die gerade nicht mehr weiß, wie die Miete bezahlt werden soll, dann denkt man anders darüber. Und auch hier auf der Insel ist es so, dass vielen jetzt die Arbeitslosigkeit oder ein Kurzarbeitergeld droht dass nicht zum überleben reicht. So klagen jetzt zum Beispiel Geschäfte von Konsumartikeln und Kleidung über große Umsatzeinbrüche. Bars und Restaurants laufen noch, das hat offensichtlich Priorität. Das Weniger an Geld, dass auf den Kanaren derzeit in Umlauf ist, wird jetzt auch schon in Bereichen außerhalb des touristischen Sektors spürbar. Außerdem sind wir, ob wir wollen oder nicht, auch auf den Massentourismus angewiesen, jetzt nicht auf La Palma, aber auf den Inseln als solches. Die Rechnung bleibt ganz einfach: Wir bekommen das Geld von den Touristen, und kaufen dafür wieder Güter in deren Regionen ein. Im Moment kaufen wir nur, bekommen aber nichts an Einnahmen. Dabei hängt die ganze Finanzierung, auch des öffentlichen Sektors, an genau diesen Einnahmen.

Manch einer würde sagen, dass die Leute hier selbst dran schuld sind. Und im Prinzip ist das auch so. Wir wussten, anhand der Beispiele vom Festland und den Balearen, was uns droht, und haben es dennoch, trotz aller Warnungen seitens der Politik, gemeinsam nicht hinbekommen. Die Aussage , dass wir halt zu unvernünftig sind, greift da aber zu kurz. Klar, ist das nüchtern betrachtet saudoof mit offenen Augen ins Verderben zu rennen. Aber die Frage ist doch, warum gerade in Spanien die Fallzahlen so hoch sind, wobei wir doch gleichzeitig mit die strengsten Maßnahmen haben.

Und das liegt ganz einfach an unserer Lebensart, die in nicht coronalen Zeiten das Leben hier so angenehm macht, und der Grund ist, warum zumindest wir lieber mit den Menschen hier leben als in Deutschland. Gleichzeitig reitet uns das gerade gewaltig in die Kacke. Im Wesentlichen ist das, zum einen die Herzlichkeit und der enge familiäre Umgang hier, und zum anderen das Vertrauen darin, dass am Ende alles gut wird, man das Leben trotz aller Widrigkeiten lockerer angeht. Und wenn dem so ist, dass alles gut wird, dann sind Ver-und Gebote eben nicht so ernst genommen, es geht schon irgendwie immer weiter.

Ein weiteres Problem, dass wir im Moment haben, ist die mangelnde soziale Kontrolle. Selbst wenn man sieht, dass der Nachbar sich unvernünftig verhält und damit die Gemeinschaft gefährdet, spricht man ihn nicht darauf an. In normalen Zeiten ist diese Toleranz und der Mangel an Denunziantentum eine der angenehmsten Dinge der Welt. Im Moment ein massives Problem. Das geht hier soweit, dass es auch für die lokale Polizei nicht einfach ist, Leuten aus der Dorfgemeinschaft eine Multa überzubraten, das hat nicht einmal etwas mit Korruption zu tun, man kennt sich halt, und möchte für seine Mitmenschen nichts schlechtes. Dieses System gilt nicht nur für die Kanaren sondern in ganz Spanien.

So mancher meint deshalb, dass die einzige Möglichkeit ist, dass das Donnerwetter von außen kommt. Pedro Sanchez hat nicht umsonst im Juni, als unser wochenlanges Eingesperrtsein zu Ende ging, davon gesprochen, dass man sich von den harten Maßnahmen auch einen erzieherischen Erfolg verspricht. Das hat aber nicht richtig lange angehalten.

Da es hier gerade kaum ein anderes Gesprächsthema gibt, unterhält man sich hier natürlich mit den Leuten. Der Satz, der es für mich am besten auf den Punkt gebracht hat war: „Ich sehe das genauso, aber wir sind halt Latinos.“ Die meisten meinen wirklich, dass wir nur wieder mit ganz harten Mitteln wieder „vernünftig“ werden würden. Diese Selbsteinschätzung findet hier, und man nimmt sich da selbst als Teil der Gesellschaft nicht aus, durchaus statt und fast alle sagen, dass wir jetzt im Sommer auch ein Riesenglück hatten, dass es hier auf La Palma, aber auch auf Teneriffa so glimpflich verlief mit den Fallzahlen. Unser Verhalten im öffentlichen und privaten Raum unterscheidet sich nämlich nicht groß von dem auf Gran Canaria oder auch vom Festland. Die Kanarische Regierung hat angekündigt, auf den Balearen wird das schon zum Teil praktiziert, dass man, sollten die Fallzahlen nicht runtergehen, für bestimmte Gebiete, auf Lanzarote und Gran Canaria wieder Ausgangssperren verhängen würde, um gewissermaßen die Reißleine zu ziehen. Als Stichtag wurde der kommende Freitag genannt, wirklich runter gingen die Fallzahlen aber nicht.