Erklärungsversuche

ich schaue mir ja jetzt schon seit vielen Monaten die Entwicklung der Fallzahlen vor Ort an. Immer gegen 16 Uhr kommen die neuen Zahlen. Dann geht die Rechnerei los und man schaut wer wieder wieviel dazu bekommen hat. Nachdem im Sommer vor allem Lanzarote und Gran Canaria die coronalen Spitzenreiter waren, war es jetzt Teneriffa. Dort gingen in den letzten zwei Wochen die Fallzahlen aber zurück, dafür legte eben Gran Canaria wieder zu und in den letzten Tagen erneut Lanzarote. Hier waren es gestern 121 und heute 125 neu entdeckte Infektionen und die Insel ist ja mit 152.000 Einwohnern nicht wirklich groß. Das ist weniger als das doppelte von uns hier auf La Palma. Wir hatten in den letzten beiden Tagen zusammengerechnet genau einen neuen.

Da die ganze Covid-Geschichte aber schon eine ganze Weile läuft, fragen wir uns hier, warum La Palma als einzige Insel bisher, vom Frühjahr abgesehen, immer unter den magischen 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen liegt. Es ist ja nicht so, dass wir uns soviel cleverer anstellen als die anderen Canarios, wenn man hier wohnt, dann bekommt man ja auch so mit, was da für Ansammlungen in der Nachbarschaft von statten gehen. Klimatisch haben wir auch keinen Vorteil gegenüber den anderen Inseln. Klar, die Bevölkerungsdichte ist geringer, als Gran Canaria oder Teneriffa, aber auch hier gibt es viele „Wohnkomplexe“ vor allem in Los Llanos und im Hafen von Tazacorte. Und Inseln wie El Hierro und Gomera haben da ja ähnliche Voraussetzungen wie wir.

An diesen Zahlen lässt sich ganz gut vergleichen wie gut La Palma bisher weggekommen ist. Die Zahlen zeigen die Anzahl der Infizierten seit Beginn der Pandemie auf 100.000 Einwohner umgerechnet:

Teneriffa: 1590

Lanzarote: 1480

Gran Canaria: 1396

Fuerteventura: 1027

El Hierro: 985

La Gomera: 963

La Palma: 397

Die Kanaren insgesamt: 1420

Wenn aber jetzt unser Verhalten hier nicht groß anders ist als das der anderen Canarios, dann muss es da, abgesehen vom Glück, noch etwas anderes geben. Auffallend hier ist die Arbeit unserer Santitätsabteilung. Nach dem Fußballausbruch in Fuencaliente hat man es tatsächlich geschafft, quasi aus dem Stand, innerhalb von nur 12 Stunden 650 Kontakte aufzuspüren, mit denen in Verbindung zu treten und am Folgetag zu testen. Kilian Sanchez, der Chef der Sanidad, und Mercedez Coello, die Krankenhauschefin, wirken aber auch nicht wie zwei Personen, die halt auf ihrem Posten sitzen, sondern die scheinen die Sache richtig ernst zu nehmen. Und Mercedez genießt auch eine gewisse Autorität. Nach der Fußball/Bodega-Geschichte hat Sie ein kurzes Video gemacht, in dem Sie in leicht angepissetem Tonfall sagte, dass man so einen Quatsch zu unterlassen hätte. Wenn man sich schon treffen will dann draußen bei der Virgin del Pino oder in den Bergen, aber doch verdammt noch mal nicht in einer Bodega. Das ganze war aber kein pressewirksamer Aufruf, sondern hat sich von alleine über die verschiedenen sozialen Medien verbreitet und man merkte Ihr die direkte Verärgerung auch an. So etwas wirkt dann eben auch eher authentisch.

Jetzt wo wir alle geimpft werden sollen, sind wir im Kanarenvergleich auch die Spitzenreiter. Wir hatten gestern schon rund 2.000 Personen injiziert, das macht rund 2,4 % der Bevölkerung. Der Kanarische Schnitt liegt bei 1,5%. Auch hier werden die Dosen abhängig zur Bevölkerungszahl verteilt, es nützt uns also nichts, dass die Insel kleiner ist.

Der Plan bis zum Sommer 80% der Bevölkerung geimpft zu haben ist aber natürlich gehörig ambitioniert. Egal welchen Impfstoff man nimmt, man wird ja immer zweimal gespritzt. Abstrakt gesehen bedeutet das, dass auf La Palma monatlich rund 22.000 Spritzen gesetzt werden müssten um das Ziel von etwa 65.000 Geimpften in 6 Monaten zu erreichen. Auf den ersten Blick ist das nicht zu schaffen. Jetzt muss man aber mal abwarten. Das ganze muss ja auf die Bevölkerung der einzelnen Gemeinden runtergerechnet werden. Da ich ja eher immer lokal denke habe ich das mal an El Paso ausgerechnet. Hier müsste man insgesamt 11.000 (2 Injektionen pro Nase) mal spritzen, macht pro Monat 1833. Auf den Arbeitstag gerechnet kommen wir dann auf rund 80 Impfungen pro Tag, bei einem Arbeitstag von 8 Stunden haben wir dann 10 pro Stunde oder eben alle 6 Minuten eine Impfung. Dafür muss aber natürlich genug von den Zaubermittelchen vorhanden sein, was im Moment ja nicht der Fall ist. Letztlich bedeutet das, dass der Rhythmus dann noch erhöht werden muss. Der erste Gedanke ist bei mir, dass das niemals klappen kann. Wenn man aber hier mal im Centro de Salud bei der morgendlichen Blutabnahme war, dann glaubt man plötzlich irgendwie daran, dass das möglich ist. Da werden beinahe jeden morgen in 1-2 Stunden 30-40 Leute angezapft.