Langsam habe ich keine Lust mehr…

…irgendwelche Sachen zu berichten. Es macht überhaupt keinen Spaß mehr in die Zeitungen zu schauen. Alles was es da zu lesen gibt ist gerade massiv unschön. Gestern haben wir kanarenweit einen neuen Rekord hingelegt. Über 1.000 Neuinfiziert an einem Tag. Und hier auf La Palma ist das auch gar nicht so rosig. 38 waren es heute an nur einem Tag. Wenn man unsere offizielle Einwohnerschaft von rund 83.000 Menschen nimmt, dann muss man das mal 1.000 nehmen und hätte einen Vergleichswert für Deutschland. Mittlerweile ist das aber auch nicht mehr so, dass alle die Geschichte gut wegstecken. Wir haben 13 Leute in der Klinik, davon 5 auf der Intensivstation. Insgesamt gibt es hier 8 Intensivbetten. Wobei eigentlich nur 4 für Covidpatienten gedacht sind. Eltime.es berichtet, dass von den Leuten in der UCI eine Person schon komplett geimpft sei, diese ist aber bereits 85 Jahre alt und hat auch andere Beschwerden. Zwei weitere haben noch keinen vollen Impfschutz. Und die anderen zwei gehören der Leugnerfraktion an, wobei der jüngste wohl 42 Jahre alt ist und, wie man so hört, wohl einen deutschen Pass hat. Mir ist die Nationalität recht egal, trotzdem erwische ich mich bei fiesen Gedanken und mein persönliches Mitleid hält sich in Grenzen. Wobei ich die Forderung, Coronaleugnern die medizinische Versorgung zu verweigern, höchst albern, weil unethisch, empfinde. Aber in der Pandemie sind mittlerweile so viele Menschen gestorben für die ich mir mein Mitleid lieber aufheben mag. Es ist ja nicht so, dass man seit 1,5 Jahren auf die Gefahr der Erkrankung hingewiesen hätte.

Die ganze Geschichte hat natürlich Folgen. Klar, ganz Spanien, also auch La Palma, wurde vom RKI zum Hochrisikogebiet deklariert. Für Nichtgeimpfte bedeutet das erneut Quarantäne bei der Rückreise und man kann sich dann nach 5 Tagen freitesten. Für uns hier hat der Anstieg der Fallzahlen auch Konsequenzen. La Palma ist jetzt in Alarmstufe 3. Das setzt die Ampel auf rot. Die Ampel ist ein Überbleibsel, als wir noch eine Coronaampel hatten. Mittlerweile rechnen wir aber in Alarnstufen, die von 1-4 gehen. Da wir uns aber so sehr an die Lichtzeichenanlage gewohnt haben, zeigt die kanarische Covidampel nun zwei unterschiedliche Rottöne. In Stufe drei (normalrot) wird die Kapazität der Gastronomie, Hotels und öffentlichen Verkehrsmitteln weiter reduziert, und man darf sich nur noch zu viert privat Treffen. Aber auch zu dem Thema gibt es Geschichten von Privatpartys, bei denen die Polizei nicht auftaucht, nachdem Sie irgendwann von entnervten Nachbarn gerufen wurde. Das aber nicht, weil Sie keine Lust hatten, sondern einfach nur, weil sie aus den selben Gründen schon woanders auf der Insel unterwegs sind, und bei den ganzen Meldungen, die da eingehen, schlichtweg die Kapazität in der Nacht nicht vorhanden ist.

Das erzeugt gerade wirklichen Frust, weil man gar nicht das Ende absehen kann. Die Horrormeldungen hören auch gar nicht auf. Gestern Abend kam dann noch die Meldung, dass es nun auch einen Ausbruch beim Personal des Krankenhauses gab, mit derzeit 3 Betroffenen. Auch den Klassiker des Ausbruchs in der Muckibude hatten wir schon diese Woche in Los Llanos. Und Mercedes fleht uns immer noch an, dass wir uns gerade am besten mit gar niemandem mehr treffen sollten, der außerhalb des eigenen Haushaltes lebt. Bei der hohen Inzidenz könnte man mittlerweile auch nirgends mehr sicher sein. Und Sie appelliert auch daran, dass wir, falls positiv getestet, alle unsere Kontakte melden mögen. Immer wieder kommt es wohl vor, dass versucht wird, einzelne zu „schützen“. Ob das jetzt falsch verstandene Solidarität ist, oder da vielleicht auch Druck ausgeübt wird, weiß man nicht wirklich. Aber in den vergangenen Wochen hat das dann immer wieder zu neuen Clustern geführt. Mittlerweile bewundere ich Mercedes und Kilian aber noch viel mehr, als zuvor. Die haben ja wirklich großartige Arbeit geleistet und sich den Allerwertesten für uns aufgerissen. Ich glaube die zwei und Ihr ganzes Team waren auch irgendwann mal ein wenig stolz auf die palmerische Bevölkerung, weil wir echt gut mitgemacht haben. Mittlerweile zeigen wir aber kaum noch Disziplin und kooperieren nicht mehr sonderlich mit der Gesundheitsbehörde. Da nicht einfach hinzuschmeißen und den Idioten, also uns allen, mitzuteilen, dass Sie dann eben ihren Scheiß alleine regeln sollen, verdient schon gewaltig Respekt.

Das Konzert und auch der Reventòn-Trail am ersten Augustwochenende in El Paso sind übrigens noch nicht abgesagt worden. In Stufe 3 geht das gar nicht, da sind solche Veranstaltungen untersagt. Vielleicht hoffen die auf eine positive Entwicklung der Fallzahlen, um die Sache dann in Alarmstufe 2 doch durchziehen zu können. Gleichzeitig hat man aber schon vor zwei Wochen die Sommerbetreuungskurse der Gemeinde für die Kinder gestrichen. Ebenso hat man darum gebeten, dass sich die Kinder auch nicht privat Treffen sollen. Alles wegen der Coronalage. Dass die Kurse ausfallen geht völlig in Ordnung. Zur selben Zeit aber Großveranstaltungen zu planen mit mehr als 1.000 Menschen, zeigt deutlich, wie der Stadtrat hier im Dorf tickt. Das große Ziel, dass sich El Paso als Zentrum in Sachen Sport auf der Insel und auf den Kanaren etabliert, hat natürlich Vorrang. Im Vergleich dazu würde ein Foto des Bürgermeisters mit spielenden Kindern, alle mit Maske und täglich fiebergetestet natürlich nicht so viel Eindruck machen, so lästern gerade betroffene Eltern, die Ihre Kinder jetzt gelangweilt zuhause sitzen haben.

Nach so viel Frust jetzt noch etwas Erfreuliches. Wir hatten heute einen gewaltigen Impfstau. Heute konnten alle über 16 Jahren ohne Termin zum Impfzentrum nach El Paso kommen, um sich die erste Dosis verpassen zu lassen. Da Minderjährige noch gar nicht Autofahren können hat man mehrere Busse eingesetzt um Impfwillige aus allen Ecken der Insel nach El Paso zu karren (natürlich nicht voll besetzt wegen der Covidregeln). Schon am frühen Morgen gab es mehrere Schlangen von über 100 Metern am Impfzentrum. Insgesamt wurden dann heute in El Paso 2.276 Dosen verabreicht.