Am Morgen war es noch so dass streckenweise nur Rauch zu sehen war, dafür aber viel, und im Morgenlicht war das nicht wirklich zu erkennen, ob noch Feuer austritt. Gegen Mittag hat der Bursche, der immer noch keinen Namen hat, dann aber wieder deutlich zugelegt. Man hat dann auch wieder Lava gesehen, aber das Ausbruchsgeschehen hat sich verändert. Der Vulkan ist jetzt viel explosiver. Gestern Nacht konnte man dem Feuer zusehen, wie es quasi senkrecht nach oben schoss. Das Geräusch dazu war wie ein Rauschen. Jetzt rauscht es immer noch, aber es knallt auch, immer wenn mit Druck Lava hochgepumpt wird und es wackeln Fenster und Türen. Wir haben jetzt überall Bierdeckel reingestopft, damit das nicht so scheppert. Wirklich viel helfen tut das aber nicht. Die Fenster sind alt und haben Spiel, die wackeln auch, wenn der Nachbar sein Moped anwirft. Wir müssen unserer Vermieterin dringend sagen, dass wir da neue brauchen. Jetzt wo es dunkel wird, kann man nun wirklich erkennen, dass es deutlich mehr geworden ist, auch im Vergleich zu gestern. Unterhalb des Kegels hat sich eine Öffnung aufgetan und man kann einen kleinen neuen Lavastrom erkennen.
Das ist aber genau das, was uns heute Mittag noch von INVOLCAN genau so erklärt wurde. Wenn mehr Magma von unten nachdrückt, als oben rauskommt, dann muss die Öffnung zum Austritt entweder größer werden, oder es bildet sich eben ein neues Loch. Dass der Druck durch nachfliesendes Magma gestiegen ist, hat man zum einen durch die Erdbeben feststellen können, von denen es heute im Laufe des Vormittags so einige gab, zum anderen hat man auch erneut Geländeveränderungen gemessen, die auf weiteres Magma schließen ließ. Rein optisch hat der Hauptkrater gewaltig zugelegt, dazu eben jetzt noch die kleine Öffnung an der westlichen Flanke. Ob das jetzt schon reicht, weiß im Moment keiner, und die die es zu wissen glauben, sagen es nicht. Wenn das nämlich falsch wäre, dann hätten sie es „falsch gewusst“.
Mittlerweile bewegt sich die Hauptzunge kaum noch. Die Angaben die immer wieder zur Geschwindigkeit gemacht werden, gehen auch nicht wirklich auf. Die letzten Luftbilder die ich heute gesehen habe, sind um 17 Uhr entstanden. Da war die Lava immer noch nicht in Todoque-Zentrum angekommen, es fehlten immer noch ca. 50m von der Spitze der Zunge zum Altamira-Restaurant. Die 120m/h, die zuletzt als Geschwindigkeit benannt wurden, gehen so nicht auf. Das Dorf ist aber mittlerweile komplett geräumt, und man wartet gespannt auf morgen. Bis zuletzt haben die Leute Ihr Hab und Gut auf Bananenlaster geladen. Anders als bei den vielen, die aus Vorsicht evakuiert wurden, scheint es hier klar zu sein, dass man das eigene Haus wohl zum letzten Mal betreten hat, deshalb hat man alles, was irgendwie mobil war, versucht noch heraus zu holen. Genau das macht es auch so schwierig in der momentanen Situation. Der Vulkan hat jetzt schon so viel zerstört. Gleichzeitig erzählt man uns, dass es zu weiteren Eruptionstellen und zu weiteren Lavazungen kommen könnte. Und zu den Einschätzungen der Wissenschaftler, die uns sagen, dass es sich um einen „normalen“ Ausbruch handelt, also weitere Öffnungen, sollten sie entstehen, ganz gewöhnlich wären, außer, dass erneut bewohntes Gebiet bedroht wäre, rumpelt der Vulkan lautstark und bedrohlich vor sich hin und lässt unsere Fenster klappern. Als ob er sagen würde, dass er noch nicht fertig mit uns ist.