„Alles ganz normal“ sagen der Vulkanologe und der alte Mann

Wenn das gerade normal ist, dann will ich wieder zurück in abnormale Verhältnisse. Aber so ein Vulkanologe sieht das natürlich anders als unsereins. Es ging vielmehr darum, dass die Explosionen gestern und auch das Aufgehen einer neuen Austrittsstelle aus wissenschaftlicher Sicht, für einen kanarischen Vulkan, ganz normal sei. Miguel Angel Morguende, der technische Direktor von Pevolca, also dem Komitee aus Wissenschaft und Katastrophenschutz hat uns sogar zur Gelassenheit aufgerufen. Wer sich gestern im Umkreis des neuen Berges befunden hat, war aber gar nicht mehr so gelassen. Die meisten verordnen unter dem Ausdruck „typisch kanarisch“ ja eher Ziegenkäse oder Mojo. Aber da hat jeder seine Sicht der Dinge. Die rund 160 Menschen, die gestern in Tajuya und Tacande evakuiert wurden, müssen erstmal nicht zurück. Hier hatte man keine Angst vor der Lava, sondern vor einer Staubwolke, die durch ein weiteres Kollabieren des mittlerweile über 250 m hohen Hauptkegels befürchtet würde. Im Gespräch war, dass diese heute eventuell wieder zurück in ihre Häuser dürfen, man möchte aber sicherheitshalber morgen noch einmal schauen, ob das auch wirklich stabil bleibt.

Im Moment scheint es so, als ob die Selbstentlastung durch den zusätzlichen Ausgang an der Flanke des Vulkanes ausreicht. Aus dem oberen Krater sieht man fast nur Rauch und Asche aufsteigen, dafür fließt an der Seite eifrig Lava heraus. Es knallt gerade überhaupt nicht, vielmehr hört sich das wieder wie ein Rauschen einer heftigen Brandung an. Die Lava die nun gerade an der neuen Stelle austritt, floss auch erstmal sehr schnell. Zum Zeitpunkt des Austritts, war diese eben entsprechen heißer und deswegen auch flüssiger. Weiter unten hat sich das dann direkt verlangsamt und mittlerweile fließt die neue Zunge über der alten Hauptzunge, die an der Spitze immer noch in Todoque verweilt. Auch im Süden hat sich eine weitere Öffnung aufgetan, hier gab es sehr starke Rauchentwicklung. Wie das an dieser Stelle gerade ist, weiß man noch nicht. Denkbar sei es auch, dass hier nur kurz Gas ausgetreten ist.

Nach wie vor kommt viel Asche aus dem Berg und der nahezu fehlende Wind hat heute für eine Komplettschließung des Flughafens gesorgt. Nicht wegen direktem Ascheregen, sondern weil in der Nacht so viel davon herunterkam, dass das Rollfeld komplett eingedeckt war und darauf nicht gelandet werden konnte. Heute am Nachmittag kam der Wind über der Cumbre eher aus Süden. Gut für den Flughafen schlecht für alle die im Norden wohnen.

Miguel Angel Morguende hat uns aber auch nochmal etwas mitgegeben. Es ist unmöglich derzeit eine wissenschaftliche Prognose zu geben. Alles, aber wirklich alles sei gerade Spekulation. Sowohl die Menge und die Art der Lava die jetzt noch nachkommen kann, sowie auch eine mögliche Dauer des Ausbruchs kann niemand benennen. Wir wissen gerade nur, dass es sich um einen kräftigen Burschen handelt, der erheblich mehr Gas gibt als der Teneguia. Das sagt aber nur etwas über die Heftigkeit des Eruptionsgeschehens aus, nichts über eine mögliche Dauer. Also hilft uns jetzt nur warten und mit dem „typischen“ Canario solange zu leben, wie es halt dauert. Das ist aber eher bitter, eigentlich wollen wir nur hören, dass es ganz schnell vorbei sein wird.

Wichtig sei auch noch die Information, dass die Asche nicht giftig sei, aber aufgrund der Feinporigkeit schädlich für Lunge und Augen. Auch Hautreizungen seien möglich. Deswegen sollen wir beim Wegräumen der Asche eine Maske tragen und auch nach Möglichkeit eine Schutzbrille. Dass uns ein saurer Regen treffen könnte wird derzeit ausgeschlossen, die Qualität der Luft sei in Ordnung und würde regelmäßig überwacht. Diese Mitteilung wurde nochmals ausdrücklich an die Bevölkerung gegeben, weil das selbstlaufende Internet Schreckensbotschaften verkündet hat und viele Menschen in Angst versetzt hat.

Gestern habe ich mich mit Mili unterhalten, wir wohnen direkt zwischen seinem Haus und seiner Hinterhof-KFZ-Werksatt, die er gerade abgeschlossen hat. Der Mann, knapp über 70 erzählte mir, dass das für ihn gerade sei, wie der Ausbruch des San Juan. Damals war er 8 Jahre alt und sein Vater war so eine Art Taxiunternehmer hier. Damals hatte nicht einmal die Polizei eigene Autos und Milis Vater musste diese während des Ausbruchs von A nach B fahren. Damals habe man einfach auch wegen der Asche versucht die Fenster abzudichten, also alles genau wie heute. Um die Schäden an der Infrastruktur macht er sich gar keine so großen Sorgen. Schlimm sei nur das mit den unzähligen Menschen die alles verloren haben, damals war das Gebiet noch nicht so dicht besiedelt. Die Straßen würde man sicher ganz flott wieder freibekommen. Damals hätte er mit seinem Vater eine Woche nach Beendigung des Ausbruchs angefangen die Straße nach Puerto Naos frei zu arbeiten. Das mit bloßen Händen. Schicht für Schicht sei das vorangegangen und hätte 2 Jahre gedauert. Es musste ja aber erst einmal nur ein Pfad geschaffen werden, damit die Menschen aus Puerto Naos hinter dem Lavafeld in das Auto seines Vaters steigen konnten. Heute ginge das ja mit Maschinen oder man solle halt eine Brücke darüber bauen. Diesmal würde die Normalität jedenfalls erheblich schneller wieder eintreten und die Leute damals hätten es auch überlebt. Schließlich würde man hier ja zusammenhalten. Jetzt müsse er aber nach Hause, den Rest der Familie beruhigen, es rumpelt gerade und vielleicht werden wir ja auch noch evakuiert.

Das sind die beiden Autos, mit denen Milis Vater die Guardia Civil wärend des Asbruchs des San Juans gefahren hat. Man kann am Rand erkennen, dass da noch vielmehr Schätze in der Garage stehen. Und Mili hat viele Unterstellmöglichkeiten. Irgendwann, wenn das ganze rum ist mache ich mal eine Bildergalerie. Schließlich ist der Mann auch stolz auf seine Sammlung, die er komplett allein restauriert hat.