Jeden Tag etwas Neues

Und wieder teilt uns der Krisenstab mit, dass unser neuer Vulkan uns ständig aufs Neue überrascht. Gleichzeitig sind diese Überraschungen aber eben gar keine, sondern ganz normal für einen kanarischen Vulkan. Nachdem gestern, über den Tag, die Eruption zweimal mehr oder weniger zum erliegen gekommen war, hat der namenlose Berg in der Nacht richtig Gas gegeben und macht den ganzen heutigen Tag damit weiter. Während aus dem Hauptkrater jede Menge Gas austritt und verbrennt, tritt an der Westseite des Kegels heiße, und schnellfüßige Lava aus. Diese kommt von weiter unten und verhält sich anders als die bisherige. Während sich bisher die Lava eher zäh und langsam vorwärts bewegt hat, nutzt die jetzige die alte Lavazunge wie eine Straße und läuft über dieser entlang. Gestern Nacht konnte man von El Paso aus, den Verlauf ganz gut sehen, es war ein Schimmer vom Krater bis nach Todoque erkennbar. Mittlerweile hat aber auch dieser Lavastrom etwas abgebremst und kommt weiter unten entsprechen langsamer voran, geht dafür aber auch in die Breite. So konnte man auf einem Video, dass auf der Facebook-Seite von El Time veröffentlicht wurde sehen, wie die Lava kurz vor der Schule dort unten war. Über den weiteren Verlauf gibt es derzeit kaum Informationen, wer den Ort kennt, der weiß, dass nach der Schule die Straße nach rechts unten abknickt und bis zur Einmündung der Straße von Tazacorte ganz gut Gefälle hat. Bis zu dem Punkt wird es sicher ernst. Dass dieser Verlauf gerade nicht so im Fokus liegt, hängt natürlich damit zusammen, dass das Hauptaugenmerk gerade weiter nördlich am Montaña de Todoque liegt, hier ist die Lava schon etwas weiter Richtung Meer gekommen und fließt gerade hauptsächlich auf der Südseite des Berges entlang und zerstört dort viele Häuser. Gegen Mittag war dort unten eine gelbe Rauchwolke zu sehen. Die Erklärung erfolgte dann bei der Pressekonferenz. Das ist das Plastik der Bananenplantagen und auch Dünger. Es wurde Ammoniak in der Luft gemessen, allerdings in geringer Konzentration und da es sich um Evakuierungsgebiet handelte war da auch keine Gefahr. Am nördlichen Rand von Todoque ist die Lava am Vormittag immer noch nicht ganz an der Straße angelangt, aber der Strom geht auch etwas in de Breite, so dass es auch bis zur Apotheke recht wackelig ausschaut. Die große Menge an Lava, die auch laufend nachfließt, entlastet aber wohl etwas den südlichen Strom beim Friedhof von Las Manchas, hier hat sich die Zunge auch weiter verlangsamt.

Die große Politik hat sich heute auch nochmal zu Wort gemeldet. Wir sind jetzt offizielles Katastrophengebiet. Das hat nämlich den Vorteil, dass finanzielle Hilfen aus Madrid, mit erheblich geringerem bürokratischen Aufwand, gewährt werden können. Hierzu kam eine erste zweckgebundene Zusage über 10,5 Millionen Euro, von denen rund die Hälfte für den Erwerb von 107 Unterkünften bestimmt ist. Der andere Teil ist für das notwendigste um diese einzurichten. Der Plan den die Regionalregierung derzeit schmiedet, lässt sich sehen. Man möchte Leerstand aufkaufen, von 280 Wohneinheiten ist im Ganzen die Rede, die dann denen, die alles verloren haben zur Verfügung gestellt werden sollen. Man geht derzeit davon aus, dass dies bis Jahresende stehen klappen könnte und mehr oder weniger alles bezugsfertig sein kann. Klar ist, dass die vernichteten Häuser nicht an gleicher Stelle wieder aufgebaut werden können.

Der kanarische Präsident Torres hat sich heute auch zu der Situation der Evakuierten geäußert. Man hatte alle direkt untergebracht. Viele wohnen derzeit bei Freunden oder Verwandten, ein Teil hat direkt eine neue Unterkunft zur Miete gefunden, bis die Infrastruktur wieder so ist, dass sie in ihr eigenes Haus zurückkehren können. Ein anderer Teil befindet sich in Hotels auf der Insel, mittlerweile ist auch die Kaserne auf der Ostseite leer. Auch hier gab es ab der ersten Nacht ein Angebot in ein Hotel zu gehen, was von einigen aber abgelehnt wurde. Auch, dass Menschen einige Nächte in ihren Autos verbracht haben, lag wohl daran, dass diese gehofft hatten schnell zurück zu können. Derzeit haben alle ein Dach über dem Kopf und sind gut versorgt. Auch Kleidung, Decken und Spielzeug sind genug vorhanden, was jetzt fehlen würde, sei Geld. Unmittelbar jetzt, zur Unterstützung der Betroffenen aber auch in Zukunft für den Wiederaufbau. Das „Schlimmste“ so Torres steht nämlich noch bevor. Der langfristige Wirtschaftliche Schaden, den diese Katastrohe ausgelöst hat, kann man derzeit noch gar nicht erahnen. Die Versorgung mit Wasser des Bananenbaugebietes im Westen und Südwesten ist komplett gekappt. Man arbeitet zwar bereits an Plänen wie das funktionieren könnte, aber es besteht die reelle Gefahr des Verlustes von 5.000 Arbeitsplätzen allein in diesem Bereich. Derweil ist oder war die Gegend die am heftigsten vom Vulkan getroffen wurde, die mit der größten touristischen Infrastruktur. Deswegen geht auch hier die Angst um. Im Moment erfahren wir sehr große Solidarität, aber wenn der Vulkan erstmal aufhört, dann beginnt die Zeit danach, die vielen Menschen Angst macht. Auf Vulkantouristen können wir gerade verzichten, wir brauchen hier in der Situation niemanden, der sich das als Spektakel ansehen will, obwohl man diesen Wunsch durchaus verstehen kann. Aber das passt nicht solange immer noch Menschen um ihr Haus bangen. Um so wichtiger kann es aber sein, dass die Gäste, und vor allem die, die eine Verbindung zu dieser schönen Insel haben, wiederkommen. Jetzt gerade mögen Urlauber am Strand von Tazacorte unpassend sein, aber ab dem Moment an dem es weitergeht, wäre es auch ein Zeichen an die Menschen hier vor Ort, dass man nicht vergessen wird. Außerdem hilft das Geld der Urlauber allen. Alles was in die lokalen Wirtschaftskreislauf geht ist gut investiertes Geld.

So und nun noch eine Kleinigkeit in eigener Sache: Was gerade der Tierschutz hier macht ist gewaltig. In den Evakuierungszonen laufen immer noch Hunde und Katzen umher, die von den Besitzern nicht mehr mitgenommen werden konnen. Ebenso auch Nutztire wie Schafe und Ziegen, die allesammt von der Feuerwehr eingesammelt werden. An verschiedenen Stellen werden diese gesammelt und von den Tierschutzorganisationen versorgt. Gleichzeitig vermissen ganz viele hier ihre Haustiere und es gibt eine Facebookseite wo Bilder der abhanden gekommenen Hunde und Katzen veröffentlicht werden. Wer also auf der Insel verweilt und bei dem gerade ein Vierbeiner ums Haus schleicht, der zuvor nicht aufgefallen war, der kann das Tier dort melden oder noch besser mal mit den Bildern der vermissten abgleichen. Uns ist im Donnergrollen des Vulkans auch ein kleiner Kater abhanden gekommen, der vermutlich die Panik bekommen hat und jetzt seit über einer Woche nicht mehr nach hause findet, Deswegen stelle ich das Bild von SPUD, so heißt der kleine Kerl, hier ein.