Presse, Besserwisser und Spinner

So langsam gewöhnt man sich an den Vulkan, vielleicht resigniert man auch einfach, weil man ja gar nichts machen kann gegen dieses Ungetüm. 1047 Gebäude sind vernichtet, die Straßen in den Südwesten gekappt genauso wie die Strom- und die Wasserversorgung. Wie das weitergeht, wenn der Vulkan irgendwann mal aufhören wird, wagt derzeit niemand zu erahnen, das erscheint einfach gerade auch weit weg, irgendwie ist ja kein Ende in Sicht. Heute zumindest hat der Namenlose nochmals ordentlich zugelegt. Es ist laut und es rumpelt. Also keinerlei Anzeichen, die auf Entspannung hindeuten. Auch die Erdbeben im Süden gehen weiter, steigen zwar nicht an, aber signalisieren uns, dass da noch massig Magma vorhanden ist, die im System läuft. Nach wie vor wird es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer weiteren Öffnung in der Cumbre Vieja kommen könnte. Also gewissermaßen ein zweiter Vulkan. Allerdings sieht es gerade wohl nicht danach aus. Sollten die Beben aber in geringere Tiefen aufsteigen, dann wird man die Geschichte nochmals neu bewerten müssen.  

Hier kommen jetzt die ins Spiel, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie das jetzige Geschehen schon 2017 genauso vorhergesagt hätten. Als das damals mit den Schwarmbeben losging, haben aber alle darauf hingewiesen, dass die Cumbre Vieja ein aktiver Vulkan sei, und dass er mit Sicherheit irgendwann mal ausbrechen würde. Im Nachhinein kann man dann aber tut das dem Ego jetzt natürlich gut, da fühlt sich der Besserwisser bestätigt und kann darauf hinweisen, was die offiziellen Wissenschaftler doch für Flachpfeifen seien. Allerdings haben die, wenn man ehrlich ist, auch nichts anderes behauptet. Jetzt gibt es auch wieder solche, die auf die zweite Öffnung im Süden warten. Auch hier wurde von offizieller Seite gesagt, dass solch ein Szenario nicht auszuschließen sei, man die Geschichte beobachten würde, aber im Moment nicht davon ausgehen würde. Hier träumt aber sicher schon so mancher Hobbyvulkanologe von der nächsten Katastrophe, dann hätte man ja wieder recht gehabt und das Ego wäre gestreichelt worden. Besserwisserei, die in den sozialen Medien aufpoppt, nachdem man ja mit so etwas zu rechnen gehabt hätte, wenn man an einem aktiven Vulkan siedeln würde, gibt es gerade auch genug. Menschen haben das aber schon immer gemacht. Vielleicht mag das in der Theorie sogar stimmen, aber es wurde auch schon immer an Flüssen gesiedelt, da droht Hochwasser, in ganz Italien bebt regelmäßig die Erde, Hamburg bekommt sicher auch mal wieder seine Flutkatastrophe ab, in der Karibik gibt es Wirbelstürme und im Prinzip lässt sich diese Liste endlos fortsetzten. Die Leute die da jetzt empathielos Müll ablassen, sind dann aber genau die, die auch keine Geflüchteten aufnehmen wollen. Schon gar nicht die, die nicht verfolgt werden, sondern sich wegen wirtschaftlichem Elend oder wegen einer Naturkatastrophe auf den Weg machen. Hier kochen gerade auch die Rechten ihr Süppchen aus der momentanen Katastrophe und es wird munter darauf hingewiesen, dass auf den Kanaren Geflüchtete in Nobelhotels untergebracht wären, und gleichzeitig die Palmeros auf Feldbetten schlafen würden. Das ist ausgemachter Blödsinn. Alle Evakuierten sind gut untergebracht und die Notunterkünfte seit Tagen leer und die Geflüchteten wohnen auch nicht in 5-Sterne-Hotels. Und da sich gerade in der Situation verständlicherweise alles um uns selber dreht, gehen dann Meldungen, wie der Tod von 57 Menschen, davon 12 minderjährig, Ende September auf der Atlantikroute komplett unter. Dieses Drama läuft unbemerkt vom Rest Europas immer weiter, und vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass in diesem Jahr schon 750 Menschen ums Leben gekommen sind.

Auf die Sensationspresse ist man hier auch nicht wirklich gut zu sprechen. Aus aller Welt sind Reporter und Fernsehteams nach La Palma gereist. Für viele war es vor allem wichtig spektakuläre Bilder von der Zerstörung zu bekommen. Zum Ausgleich hat man dann gleich noch versucht Obdachlose vor das Mikro zubekommen, das schafft nämlich Quote. Hier wurde Geld angeboten, wenn man bereit sei Deutsche zum Interview zu bekommen, die ihr Haus verloren haben. Springerpresse eben. Natürlich wissen wir hier ganz genau, dass wir von der Sensationspresse auch profitieren, aber doch nicht so. Aber auch die spanische Presse arbeitet da nicht immer gut, und bei den Einheimischen regt sich hier langsam der Trotz. Trotzig sein ist aber vielleicht gerade ganz gut. Man merkt immer mehr die Haltung, dass der Vulkan uns nicht kleinkriegen wird, egal wie schlimm es noch werden wird und egal wie heftig die Folgen für die Menschen im Tal sein werden, wenn es erstmal vorbei ist.

Und dann gibt es gerade noch die Spinner, die sich zu Wort melden. Vor einigen Tagen hat der Vulkan zentrische Wolkenkreise von sich gegeben und die Chemtrailexperten sind beunruhigt. Auch die Propheten des Weltuntergangs melden sich gerade. Schließlich ist, obwohl von seriöser wissenschaftlicher Seite längst widerlegt, die Geschichte des Megatsunamis, der durch das Wegbrechen der Westflanke La Palmas, entstehen soll und die Ostküste der USA überrollen wird, immer noch in vielen Köpfen. Der Weltuntergang wird durch die Katastrophe hier auf La Palma wohl noch nicht eingeläutet. Aber so einige fühlen sich gerade dazu berufen, diese Geschichte religiös oder spirituell zu erläutern. So gut scheint ja dann die Mutter Erde nicht zu sein, jedenfalls zeigt sie uns gerade wo lavatechnisch der Hammer hängt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Wenn Religion oder Spiritualität den Betroffenen gerade Halt gibt, dann von mir aus gerne. Allerdings braucht es von außen ja niemanden, der diesen Menschen in so einer Situation ungefragt den Sinn hinter dem ganzen erklären möchte, ich hatte da letzte Woche schon in aller Frühe einen Anruf eines „Sehenden“.

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