Lava ist nicht heilig

Ein eruptiver Freigeist ist er, unser Vulkan. Die ganze vergangene Nacht und auch heute den Tag über hat er immer mal wieder was Neues gemacht. Erst war der Hauptschlot in der Nacht, mehr oder weniger inaktiv, dafür wurde aus der Rückseite und am kleinen Krater, an der Nordwestflanke massenhaft Material ausgestoßen. Dadurch ist der Krater am Krater immer weiter gewachsen und schließlich in sich zusammengebrochen. Da ist nun nur noch ein kleiner Rand zu sehen. Der östliche Auslass hat dann am Nachmittag auch mal vorübergehend den Betrieb eingestellt, dafür kam aus dem mittleren Hauptschlot jede Menge Rauch. Weiter unten tritt permanent flüssige Lava aus, mal mehr mal weniger. Außerdem rumpelt er wieder etwas mehr und es wackelt ab und an die Türe durch die Druckwellen. Durch das regelmäßige zusammenbrechen des Kraters und der verschiedenen Öffnungen wird dann gerne schlagartig richtig viel Lava ausgestoßen. So auch letzte Nacht, da die Verteilung aber recht diffus war, hat die Lava nach Osten kaum Geländegewinne verzeichnet. Größtenteils soll das in den Strom gegangen sein, der bereits das Meer erreicht hat. Auch der Arm der durch La Laguna gegangen ist, hat wohl, so berichtet die Wissenschaft, etliches dazu bekommen, sich aber in der Spitze kaum vorwärts bewegt. Damit geht das Bangen erstmal weiter, wie bereits geschrieben, das sollte möglichst nicht im Norden um den Hausberg von La Laguna ziehen. Mittlerweile ist aber die ganze Fläche in sich komplett verzweigt. Man kann das manchmal auf Drohnenaufnahmen mit einer Infrarotkamera ganz gut sehen. Die Lava verläuft zu großen Teilen gar nicht mehr an der Oberfläche, sondern durch Tuben im Untergrund. Das scheint alles ein weitverzweigtes System zu sein, dass sich auch regelmäßig verändert.

Wenn man davon absieht, dass der Vulkan gerade wieder Umbaumaßnahmen vornimmt und der Tremor in den letzten Stunden etwas zugelegt hat, bleibt alles wie gehabt. Immer noch keine Anzeichen dafür, dass es zeitnah zu Ende gehen würde. Im Gegenteil, der Ausstoß an SO2 war entsprechend hoch, so dass hier im Tal, am Vormittag, auch die Grenzwerte mehrfach überschritten wurden. Eigentlich soll man dann ja nicht raus. Allerdingst sind die Grenzwerte so, dass Sie über einen Zeitraum von mehreren Stunden zu hoch sein müssten, dass es bei offizieller Leseart zu einer Gefährdung für die Bevölkerung kommen würde. Dennoch hieß es heute, dass das in Zukunft schon auch der Fall sein könnte. Von Seiten von Involcan, war heute zu hören, dass man sich mit dem Rückgang der Beben in großer Tiefe beschäftigen würde. Prinzipiell sei es zu erwarten, dass zuerst diese Beben aufhören würden, dann die, in der oberen Kammer. Man könnte so einen Rückgang sehr wohl als ein positives Signal werten, allerdings muss man noch länger abwarten, ob es sich um eine kurze Zwischenphase oder um eine klare Tendenz handeln würde. Wenn man sich aber die reine Bebenzahl von heute in großer Tiefe anschaut, dann mag man gar nicht von einer Tendenz sprechen. Die haben nämlich wieder deutlich zugelegt. Den dicksten Klopper gab es dann heute am späten Nachmittag mit einer Magnitude von 4,9, tief unterhalb von Mazo. Die Intensität wurde jedoch vom IGN nur mit IV bewertet. Das Beben von vor ein paar Tagen mit der Magnitude 4,8 wurde mit V bewertet, war also stärker spürbar. Im eigenen Haushalt hat das dann heute zu Diskussionen geführt, welches der beiden Beben als stärker empfunden wurde. Wahrscheinlich hängt das auch davon ab, wo man sich gerade im eigenen Haus aufhält.  

Solange der Vulkan weiter arbeitet, können wir noch nicht mit der Wiederaufbau beginnen. Aber man ist bereits am Pläne schmieden. Wichtig ist ja allen Beteiligten, dass die verlorenen Häuser möglichst nah am ursprünglichen Standort wieder aufgebaut werden sollen. Wohnsilos kommen da also nicht in Frage, sondern ein typisch palmerisches Haus, mit Garten drum rum, wo die eigenen Tomaten und Kartoffeln gedeihen. Jetzt lässt der Flächennutzungsplan, so er den existent und gültig ist, meist gar keinen Hausbau zu Wohnzwecken zu. Die Gemeinden und die Inselregierung haben deshalb eingefordert, dass man da jetzt dann eine Sonderregelung gelten lassen soll. Etliches noch nicht verschlucktes Land ist nämlich alles, aber kein Bauland. Auch das Küstenschutzgesetz könne da in einigen Fällen im Weg stehen. Weil das aber jetzt dann, wenn es erstmal rum ist, ganz zügig gehen soll, hat man jetzt von der Kanarischen Regierung eingefordert, dass man zu einer Sonderregelung kommen soll. Möglichst wenig Bürokratie, schnelle Genehmigungsverfahren, Ausnahmen oder Neuordnung im Bebauungsplan und auch ab und an eine Sonderregelung. Ángel Victor Torres, der kanarische Präsident, war heute auch auf La Palma. Er ging sogar soweit, dass er gemeint hat, dass es an der autonomen Region liegen würde die Lava zur geschützten Zone zu erklären, und das hätte man noch gar nicht gemacht. Der Punkt ist, dass die Lavaflächen im Normalfall zum Naturschutzgebiet erklärt werden. Vielleicht würde das auch in diesem Fall noch passieren, aber bisher nicht. Das passt ein wenig zu den tollkühnen Plänen des italienisch stämmigen Architekten aus Todoque, der die Idee hat, das untergegangene Dorf an gleicher Stelle wieder zu errichten. Auf den ersten Blick hört sich das recht irre an, aber er ist der Überzeugung, dass dies technisch schon machbar sein könnte. Schließlich sei man in der Lage die Lavafelder mittels technischen Geräts heute aufs genauste zu untersuchen, um festzustellen ob das bebaubar sei oder nicht. Bei den Einwohnern von Todoque und auch bei der palmerischen Architektenvereinigung kommt die Idee prima an. Als Beispiel nennt er den Hafen von Garachico auf Teneriffa, da hatte man die Gebäude auch einfach kurz nach dem Ausbruch neu auf der Lava errichtet. Das ganze schon Anfang des 18ten Jahrhunderts. Er ist der Überzeugung, dass, wenn es technisch möglich sein sollte, es auch gemacht werden wird, da die Verantwortlichen ja sicher keine Bürger mit brennenden Fackeln vor dem Cabildo Insular antreffen möchten.

Pedro Sanchez war heute auch wieder da, schon zum fünften Mal, seit Ausbruchsbeginn. Er lobte den guten Zusammenhalt der Menschen vor Ort und stellte einige Korrekturen im Hilfeplan in Aussicht. Von einem sozialen Schutzschild war die Rede. Bisher war es so, dass die Bezahlung der ERTE, also des Kurzarbeitergeldes, gesondert zugesagt wurde. Allerdings haben wir hier gar nicht so viele Angestellte. Viele Menschen arbeiten als Selbstständige und so hat jetzt auch der Kleinbauer der seinen Acker verloren hat, der Lastwagenfahrer und vielleicht ja auch der Ferienhausvermittler, Hilfe in Aussicht gestellt bekommen. Am Dienstag soll das durch den Ministerrat gehen und wegen unserem Status als Katastrophengebiet, braucht es hierfür keinen Parlamentsbeschluss mehr, sondern ist dann sofort gültig.