Das ist ja alles ganz normal, was der Vulkan so treibt. Der ständige Wechsel zwischen eruptiven und effusiven Phasen, mal laut, mal kaum hörbar, mal viel, mal wenig Lava. Das Ding verhält sich komplett unberechenbar, aber ein palmerischer Vulkan sei eben so. Diese Geschichte hat man uns gleich am Anfang so erzählt, und auch wenn wir das so wissen, macht uns das ständige hin und her eher unzufrieden. Das wir uns schon etwas an den Gesellen gewöhnt haben, stimmt natürlich und da wir nichts tun können als auf das Ende der Eruption zu warten, müssen wir eben mit der Situation leben wie sie ist. Das wäre aber erheblich einfacher, wenn wir wüssten mit wem wir es gerade zu tun haben. Aber unser insularer neuer Mitbewohner macht einfach andauernd was er will und ist nicht bereit sich an den eher ruhigen Lebensstiel hier anzupassen. Das hektische und unstete Verhalten ist den Palmeros ja eher fremd, wir sind hier eher Gewohnheitstiere und lassen es gerne ruhig angehen. Dabei haben wir auch gar kein Problem damit, wenn es mal laut wird in der Nachbarschaft. Wenn es da eine Fiesta gibt, ist man ja vorgewarnt oder ist zum Mitfeiern eingeladen. Wenn der Vulkan laut ist, dann bleibt man jedoch besser weg. Mentalitätsmäßig passt der also gar nicht zu uns, und wäre besser in einer hektischen Großstadt aufgehoben, aber da könnte er ja noch mehr Schaden anrichten.
Den Vulkan, in dem was er macht einschätzen zu können, wäre etwas Feines, aber sogar die Vulkanologen sagen, dass sie sich höchstens trauen eine Vorhersage für den nächsten Tag zu machen. Die Unsicherheit, wie lange das noch gehen mag, und was als nächstes wohl passieren wird ist zermürbend und sorgt bei allen für schlechte Laune. Gestern hat er wieder richtig losgelegt, der Tremor ging gewaltig in die Höhe, dann gab es eine neue Öffnung und der Tremor ging wieder runter. Die verschwundene Öffnung im Norden, aus der wochenlang Lava Richtung La Laguna gelaufen ist, war dann heute kurz wieder da und ist jetzt wieder weg. Gleichzeitig steigt der Tremor wieder leicht an, was sich mit dem Blick auf den Vulkan aber nicht so richtig vereinbaren lässt. Über den SO2-Aussroß möchte man gar nicht reden. Erstens geben die von PEVOLKA zu, dass das mit dem Messen nicht zuverlässig klappen würde und zweitens schwanken die Werte von gestern zu heute um rund das 20fache. Deswegen hilft da nur noch ignorieren. Die Beben bleiben in der Anzahl viele, sind aber im Schnitt in der Stärke zurückgegangen, ab und an gibt es mal eines in tieferen Gefilden, aber erheblich weniger als noch letzte Woche. Allerdings ist es so, dass heute bei der Pressekonferenz nochmals gesagt wurde, dass Beben in der Intensität der Stufe VI möglich seien und das eben auch relativ zeitnah. Die Lava fließt gerade wieder nach Westen ab, was hier allen prinzipiell ganz gut finden. Da war sie ja schon mal und hat es bis ans Meer geschafft. Allerdings kommt es hierbei immer wieder zu neuen Bränden, weil die Lava beim ersten Durchgang noch einige Inseln hat stehen lassen, diese Lücken werden gerade ausgefüllt. Für La Laguna und auch die gefährdeten Teile von Tazacorte, ist das eine hervorragende Meldung. Ganz im Norden bewegt sich der Strom nach wie vor kaum und heute hat PEVOLKA vermeldet, dass es ganz gut aussehen würde, dass der Strom, sollte er nochmal loslegen, dann doch die südliche Umgehung wählen könnte. Sorgen bereitet aber die permanente Umstrukturierung des Kegels. Der wird immer löchriger und damit auch instabiler. Den teilweisen Einsturz hatten wir schon mehrfach, aber Frau Blanco vom IGN hat heute gesagt, dass auch ein kompletter Einsturz des Kegels im Bereich des Möglichen sei, was, so wörtlich, eine „Katastrophe“ wäre. Wenn die uns aber nicht sagt, wie so eine Katastrophe aussehen könnte, dann hätte sie besser geschwiegen. Da läuft jetzt im Oberstübchen das ein oder andere Horrorszenario ab. Bevor jetzt aber alle in Panik verfallen, muss man einfach wieder den Denkapparat einschalten und dann wird einem klar, dass hier bisher eine prima Arbeit geleistet wurde, wenn es um die Gefährdung der Inselbewohner ging. Hier wird eher frühzeitig evakuiert und so beläuft sich die Anzahl der Personenschäden weiterhin auf null. Trotzdem brauch ich gerade das Wort „Katastrophe“ nicht, das schlägt auf das eh schon strapazierte Gemüt. Stimmungsmäßig geht es mir gerade ein wenig wie dem Vulkan. Eine Konstanz gibt es gerade nicht. Einen Tag, voller Erwartung auf ein baldiges Ende und ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft und dann wieder völlige Niedergeschlagenheit und kompletter Unwille am Morgen das Bett zu verlassen.