Heute ist auf den Inseln Feiertag. Gesellschaftlich gesehen sogar der wichtigste des Jahres. Es ist Dia de Canarias. Unser kleiner Nationalfeiertag für unser Archipel. Wir sind nämlich arg weit weg vom spanischen Festland und im Zweifelsfall dann eben doch eher Canarios und dann erst Spanier. Bzw. ist man hier dazu übergegangen die Sache recht pragmatisch an zu gehen. Wenn es gut läuft, und Spanien Weltmeister wird, dann sind wir hier klar dabei, wenn schlecht läuft und auf dem Kontinent etwas verbockt wird, dann sind wir in erster Linie Insulaner. Dabei gibt es diesen Feiertag noch gar nicht so lange. Schuld daran ist das Franco-Regime, das jeglichen Regionalen Bestrebungen einen Riegel vorgeschoben hat. Nach Einführung der Demokratie, blieb verwaltungstechnisch die Sache erst mal beim Alten. Erst im August 1982 wurde den Kanaren der Status einer Autonomen Region zugestanden, die auch etliche Sonderrechte in Sachen Selbstverwaltung mit sich gebracht hat. Damals hat man aber noch gar nicht an einen Feiertag gedacht. Zwar haben wir nun 40 Jahre „Autonomiestatus“, allerdings dauerte es ein Weilchen, nämlich ca. ein halbes Jahr, bis jemand auf die Idee kam, dass es nun einen Feiertag brauchen würde. Erst im Februar 1983 wurde die Idee geboren und als Feiertag wurde dann der Tag der ersten Zusammenkunft des regulären kanarischen Parlaments festgelegt. Und das war eben dann der 30. Mai 1983. Wenn man im Netz zwischen der Diskrepanz zwischen dem Tag der Anerkennung Autonomiestatus und des Feiertages sucht, dann sagt einem Wikipedia da nichts. Die Erklärung findet sich dann aber auf der Seite CanariWiki, was wieder mal zeigt, wie ernst hier die Sache mit der Identifizierung der Eigenständigkeit ist. Diese Seite wird nämlich nicht von irgendwelchen eifrigen Nationalisten, sondern von der Kanarischen Regierung betrieben.
Aus einem einfach mal so geborenen Feiertag hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte dann eine Feierlichkeit in nahezu jedem Winkel des Archipels entwickelt. Überall organisieren die Gemeinden und auch Privatleute verschiedene Veranstaltungen. Meist mit traditioneller Kleidung und Musik und Verköstigung. Auf den Plätzen werden Bühnen aufgebaut und alles wird bestuhlt. Hier kommt nun aber in diesem Jahr das Problem des Wetters hinzu. Zumindest auf La Palma regnet es nämlich, und so muss da vielerorts gerade umorganisiert werden und die Veranstaltungen werden nach drin verlegt. Auch hier hat die Zahl 40 eine gewisse Bedeutung. Wir haben nämlich nicht nur 40 Jahre autonome Region, sondern es zeigt sich einmal mehr, dass an dem Sprichwort, dass der Sommer auf La Palma nicht vor dem 40. Mai beginnt, doch etwas dran ist. Also musss man da heute etwas improvisieren. Für den eigens gemachten Film aus El Paso, bei dem unsere Beziehung zur Seide und der zugehörigen Raupe, dokumentiert wurde, war das gar nicht so schlimm. Der Film wurde schon vor Tagen auf heute 12 Uhr zur Premiere auf Youtube angekündigt, man konnte den also von zuhause aus anschauen. Meine Frau hat den Film schon vor Wochen gesehen, die hat sich nämlich freiwillig gemeldet um einige von den Rauben mit Maulbeerblättern zu päppeln. Da durfte sie schon im Vorfeld bei der Breefingveranstaltung den Film schauen. Bei uns im Büro steht jetzt also eine Plastikwanne und wenn man ganz still ist, dann kann man die Raupen schmatzen hören.
Von Seiten der kanarischen Regierung wird alljährlich eine Zeremonie abgehalten, auf der die Flagge gehisst und seit 2003 die Kanarische Hymne gespielt wird. Außerdem werden vom Präsidenten einzelne Personen und Gruppen mit dem „Kanarischen Preis“ oder der „Kanarischen Goldmedaille“ ausgezeichnet. Das mit der eigenen, auch kulturellen, Identität, die ja auch durch die Einführung dieses Feiertages angedacht war, hat prima geklappt. Sogar unter den Migranten. So haben unsere beiden Kinder heute für uns Frühstück gemacht. Banane und palmerische Honigbrote gab es da und an die Kaffetasse wurden kleine, selbstgemachte, kanarische Fähnchen geklebt. Nur das Vorhaben meines Sohnes, einzelne Inseln mit Nuss-Nugat-Creme auf das Toastbrot zu schmieren, hat nicht wie geplant funktioniert.