Zu feiern haben aber nicht nur die Nordwestler, sondern der Anlass geht die ganze Insel etwas an. Nur die Feierlichkeiten finden eben dort oben statt. Wir haben nämlich Weltbiosphärenreservatsjubiläum. Nun ist es 20 Jahre her, dass uns die UNESCO den Stempel verliehen hat. Diese Auszeichnung hat für die Insel schon einen gewaltigen Wert, gaugelt sie zumindest vor, dass hier eine heile Welt vorherrscht, bei der Mensch und Natur im Einklang miteinander sind. Auch wenn das ganze niemals so rosig ist, wie man sich das alles vorstellt, irgendwas ist an der Sache schon dran. Hier gibt es einfach noch jede Menge, mehr oder weniger unberührte Flecken, in denen man sich prima verlieren kann. Bei der Zeremonie war natürlich auch der Inselpräsident Mariano Zapata zugegen und hat eine obligatorische Rede gehalten. So etwas geht in diesen Zeiten nicht ohne einen Blick auf den Vulkan zu werfen und so spricht Mariano explizit davon, dass der Titel des Weltbiosphärenreservats eben auch mit Verpflichtungen einher gehen würde. „Nachhaltige Entwicklung“ wurde da genannt, die eben nicht nur das Wohlergehen der Bevölkerung, sondern auch den Schutz des Planeten erfordern würde. Wenn man da genauer darüber nachdenkt, dann fallen einem in Sachen Wiederaufbau direkt einige Sachen ein, die einem wiederum auf die Füße fallen könnten. Paradebeispiel ist die Sache mit der Lava, an der im Prinzip gar nicht gekratzt werden soll. Das ist ja schließlich astreines natürliches Material. Die Geologen würden gerne das ganze direkt unter Schutz stellen und die aktionistischen Ökologen heulen bei jeder neuen Zufahrt, zu einem verschonten Gehöft lautstark auf. Wir leben aber nun nicht nur in Einklang mit der Natur, sondern auch in Einklang mit unseren Gewohnheiten. Dazu gehören, neben einigermaßen funktionierenden Straßen, auch die Landwirtschaft. Bäuerliches Leben funktioniert eben nur, wenn der Bauer ein Feld hat, wo er seine Banane pflanzen kann. Wenn das Feld unter der Lava liegt, dann muss entweder die Lava weg, oder ein Feld an anderer Stelle her. Auch die Häuser müssen, entweder an der selben Stelle, oder eben wo anders wieder gebaut werden. Da muss die Natur eben weichen. Also wird nun fast überall gebaggert, und irgendwie ist den wenigsten klar, was da an den einzelnen Stellen eigentlich gerade passiert. Da tauchen unterhalb von Las Norias plötzlich auf der Lava planierte Flächen auf und man rätselt, was die da machen. Dann gibt es wohl auch noch die Idee, dass man das Industriegebiet von Los Llanos zurückhaben könnte. Eigentlich war ja ein neues Gebiet oberhalb von El Paso geplant. Aber das Rathaus von Los Llanos, so wird zumindest gemunkelt, möchte das nicht kampflos aufgeben. Schließlich bringt so ein Industriegebiet, ob mit oder ohne Asphaltwerk, einnahmen ins lokale Steuersäckchen. Und so tauchen dann doch plötzlich Pläne auf, bei denen ein Zugang zum alten Gebiet geschaffen worden ist. So ein vulkanischer Notstand, lässt ja auch gewaltige Freiheiten und es stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht unter Umständen sinnvoll sein könnte, dass wir möglichst viel von der schwarzen Masse wegbekommen, um das Land darunter zu nutzen. Mir selber ist das Zeug ein Dorn im Auge, und ich kann da nichts Schönes finden, also darf die Lava von mir aus auch gerne wieder weg.
Ganz anders sieht das die Geologin Emma Pérez-Chacón von der Universität Las Palmas. Die ruft uns auf, dass wir den Vulkan als Ressource sehen sollten und uns ein Beispiel an Lanzarote nehmen sollten. Die haben nämlich ihre vulkanische Existenz an die Touristen verschruppt. Jetzt ist aber nicht alles, was einen Vulkan hat ein hinkender Vergleich. Die auf der Insel ganz im Osten haben eben, neben Caesar Manrique nicht anderes. Zudem konnte man das landwirtschaftliche Gebiet dort, zu Zeiten des Timanfayaausbruchs auch nicht so einfach wieder frei räumen. Ob es denen dort, mit ihrem massigen Hoteltourismus wirklich besser geht, steht auch auf einem anderen Blatt geschrieben. Und klar werden wir hier auf den Vulkan reduziert. Man kennt uns schließlich nun genau deswegen. Das wir das vermarkten müssen ist uns auch allen klar, schließlich hat der Vulkan uns ja auch Infrastruktur genommen und da müssen wir vielleicht an anderer Stelle was Neues versuchen. Vielleicht sollten wir dabei aber nicht Lanzarote kopieren. Schließlich macht die Insel in Sachen Vulkan, schwarz wie sie ist, entsprechend mehr her, und der Hype auf den hier viele auf La Palma gebaut haben, lässt ja auch schon wieder nach, was wir an den zusammengestrichenen Flugverbindungen sehen können. Deshalb muss man seine eigene Geschichte erzählen. Das Motto „mas fuerte que un volcán“ könnte auch bedeuten, dass wir der Lava in die verbrannte Suppe spucken und uns das wieder zurückholen, was da drunter ist, zumindest in Teilen. Den ganzen anderen Rest, lassen wir dann einfach so, wie er immer war. Grün, schön und weltbiosphärentauglich. In Tijarafe soll es in den kommenden Tagen auch noch mehrere Veranstaltungen zum Thema geben. Ein Straßenmarkt und Workshops, auch auf die nachhaltige Entwicklung und der Zukunft der Insel gemünzt soll es geben.