Wir haben gerade wieder mal gehörig Polemik. Stein, oder vielmehr Container des Anstoßes sind die am gestrigen Tag übergebenen Wohneinheiten für die betroffenen des Vulkans. 44 Familien haben gestern in Los Llanos einen Schlüssel in die Hand bekommen, mit denen Sie ihre brandneuen Container auf und zu schließen können. Zwischen 50 und 60 qm hat so ein Metallkasten zum Wohnen und verfügt, neben Wohnzimmer und Küche, über 2 oder 3 Schlafzimmer. Aufgereiht stehen diese Teile in Los Llanos oberhalb des Freibades und des Fußballplatzes. Viel Platz hat man darin nicht, und im Prinzip sind die Dinger so eng aneinandergereiht, dass man, außerhalb der eigenen vier Wände, quasi schon beim Nachbarn drinnen steht. Wie diese Container isoliert sind, weiß man als Außenstehender auch nicht wirklich. Wenn es aber doof läuft dann wird es im Winter kalt und im Sommer brütend heiß. Und schon kommen die ersten Klagen, dass solche Sachen nicht angemessen seien, vor allem wenn man in Betracht zieht, dass die Leute ja ihr reguläres Zuhause verloren haben. Spöttisch, mahnend und anklagend werden die Verantwortlichen angegangen und es wird jede Art von menschlichem Mitgefühl in Abrede gestellt. Klar, die Dinger sind winzig, die Privatsphäre ist gering und der Wohnkomfort verspricht nicht wirklich gut zu sein. Aber es ist immerhin etwas. Ein eigenes Dach über dem Kopf, Küche, Bad usw. Würde ich darin wohnen wollen? Sicher nicht. Aber ich habe es auch leicht, schließlich steht unser gemietetes Haus 2 Kilometer von der Lava entfernt, und die Vermieterin hat uns auch nicht die Miete erhöht, um von der momentanen Situation hier zu profitieren, was so manch einer gemacht hat. Ich kann also gar nicht sagen, wie es ist, sein Zuhause zu verlieren. Genau so wenig kann ich sagen, dass ich so einen Container, oder wahlweise ein Holzhaus, ablehnen würde, wenn ich sonst nichts hätte. Das ich dankbar wäre, so etwas angeboten zu bekommen, glaube ich nicht. Und so wird es den meisten Betroffenen, die nicht schon längst eine Alternative gefunden haben, sicher auch gehen. Zum glücklich werden reicht so etwas nicht aus und der Bedarf eines neuen Zuhauses, nachdem man das alte verloren hat, wird damit nicht befriedigt. Im Gegenteil, man kann zwar erstmal mietfrei wohnen und auch in den nächsten Jahren, soll nur ein ganz geringer Mietzins fällig werden, aber man bekommt da nochmal vor Augen geführt, was man verloren hat und was für die nächsten Monate oder gar Jahre die neue, unattraktive Realität sein wird. Und so lässt sich die Unzufriedenheit natürlich nachvollziehen.
Jetzt beschweren sich aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch etliche Leute drumrum, die der Ansicht sind, dass so eine Art von provisorischer Unterkunft absolut unangemessen sei. Das ist natürlich ganz einfach. Man schlägt sich auf die Seite der Opfer und zeigt sich solidarisch. Und so sind dann eben etliche Kommentare unter den Meldungen zur Übergabe der Wohncontainer, gespickt voll von triefender Empörung. Keiner kann aber sagen, wie sich dieses Dilemma, in dem wir uns befinden anders, oder gar besser lösen lassen könnte. Es gibt ja nicht nur die Container und Holzhäuser, sondern auch etliche andere Wohneinheiten, die von der Verwaltung aufgekauft und für die Betroffenen renoviert wurden. 126 Wohneinheiten der Modularen Art, entweder Holz oder Metall gibt es bis Jahresende. Dazu kommen nochmal 140 Wohnungen in den Gemeinden Tazacorte, Fuencaliente, Los Llanos und El Paso die gekauft und renoviert wurden. Weiter 40 in Breña sind gerade in Arbeit und sollen im Dezember fertig sein, so dass man bis zum Jahresende auf über 300 Wohneinheiten kommt. Unabhängig davon gibt es für einen Teil der Betroffenen Mietbeihilfen, falls diese sich auf privatem Weg ein neues zuhause gesucht haben. All das ist nur provisorisch. Die wirklichen neuen Unterkünfte müssen erst noch gebaut werden. Das geht alles aber eben nur Stück für Stück. Was hier manch einer immer wieder zu vergessen droht, ist, dass wir uns noch mitten in der größten sozialen Katastrophe der Inselgeschichte befinden und das der Weg da wieder raus zu kommen noch Jahre dauern wird und am Ende betrifft das eben auch viel mehr Leute, als nur die, deren Zuhause von der Lava geschluckt wurde. So gibt es eben auch andere Kommentare unter den Zeitungsmeldungen. Leute die Ihr gemietetes Zuhause verloren haben, weil da nun die Eigentümer eingezogen sind, oder die Klitsche profitabel an die Lavaopfer verkauft haben. Diese Leute beschweren sich nun wiederum über all die Undankbaren, weil Sie selber nun zu horrenden Preisen in einer verschimmelten Bude hocken, und so einen Container mit Kusshand nehmen würden. Zu erwarten, dass die Betroffenen Ihre Erwartungen zurückschrauben ist sicherlich unredlich, soviel Verständnis für den eventuellen Frust, darf man schon aufbringen. Sich aus vermeintlicher Solidarisierung aber mit zu empören ist nicht wirklich hilfreich, sondern droht das Klima noch mehr zu vergiften. Die, die es besser wissen, schimpfen häufig nur, liefern aber auch keine Lösung. Und natürlich ist es immens wichtig, dass wir hier kollektiv den verantwortlichen Politikern auf die Finger schauen um zu sehen, was die so machen und auch immer wieder zu kritisieren. Aber man muss vielleicht auch versuchen zu verstehen, warum, welche Entscheidungen, wie getroffen werden. Dann kann man immer noch zu dem Schluss kommen, dass man das so falsch findet und kann daran Kritik üben, es findet sich einfach genug dafür. Zwischen Empörung und Kritik liegen aber eben häufig Welten. Und nein, es läuft hier gerade im gesamten nicht wirklich gut. Aber keiner kann wirklich sagen, wie man es im Ganzen besser machen könnte, zumindest ich möchte mir das nicht rausnehmen und trotzdem habe ich auch Kritikpunkte, z.B. zur Kommunikation der Politiker oder den geringen zeitlichen Zugangsmöglichkeiten zu den beiden gesperrten Küstenorten.