Ein Jahr Ruhe

Heute um 22:21 Uhr ist es ein Jahr nach dem Vulkan. Mit einem großen letzten Knall und einer riesigen Rauchsäule hat sich der Bursche damals verabschiedet. Der ein oder andere Vulkanologe kam auch gleich, hoch inoffiziell, um die Ecke, und meinte, dass es das nun gewesen sei. Diesen letzten großem Knall gab es auch auf El Hierro, und man hat sich dann aus dem wissenschaftlichen Fenster gewagt. PEVOLCA, also der Krisenstab hat sich erst 2 Tage später geäußert, und sich dann 10 Tage Ruhe auserbeten, um den Vulkan dann für beendet zu erklären. Den meisten war aber nach dem Knall klar, dass es nun vorbei war, der Tremor war verschwunden und man hat ja über die fast 3 Monate gelernt, Beben, Geländedeformation und das Ganze zu verstehen. Und da war im Prinzip schlagartig Schluss. Spannend waren dann die deutschen Medien. Hier geisterte noch 2 Tage später die Meldung rum, dass unser Vulkan nochmal richtig Gas geben würde, eben wegen der letzten großen Explosion. Während wir hier auf der Straße Menschen gesehen haben, in deren Gesicht plötzlich ein Lächeln zurückgekehrt war. Zu heftig war die Anspannung in den Wochen davor. Das Wegfallen des Stresses, verursacht durch den ständigen Lärm, das andauernde Regnen der Asche und immer der Blick Richtung Feuerberg hatte aber auch etwas Ernüchterndes. Plötzlich hat man gesehen, was der Vulkan im Ganzen angerichtet hat, und es kam die Erkenntnis, dass das nun eben so bleiben würde. Zuvor war alles im Krisenmodus und es hätte immer noch schlimmer kommen können.

Natürlich läuft hier immer noch einiges im Krisenmodus. Damit sind nicht nur die Vulkanopfer gemeint, die noch keine feste Bleibe haben und auch nicht nur die gesperrten Siedlungen von Puerto Naos und La Bombilla. Die Folgen des Vulkans sind für die Wirtschaft der Insel immens und es wird viele Jahre dauern bis wir da wieder rauskommen. Das betrifft die, die direkten wirtschaftlichen Schaden genommen haben aber auch die gesamte Insel. Der Verlust an festen Arbeitsplätzen, touristischer Infrastruktur ist klar spürbar, auch wenn gerade noch viele Gelder von außen fließen. Dennoch sind viele aber mittlerweile in der neuen Normalität angekommen. Manch einer hat sich damit arrangiert und bereits sein neues Heim bezogen, oder ist gerade dabei eines zu bauen. Die Lava, die jetzt an der Oberfläche rumliegt geht ja auch nicht mehr weg und irgendwie müssen wir uns damit arrangieren. Das fällt denen, die an die Lava etwas verloren haben entsprechend schwerer zu akzeptieren, als denen, die nur über die Piste fahren müssen, wenn sie nach El Remo wollen. Wenn man nicht auf die Lava schaut, kann man nun, nach einem Jahr, an vielen Stellen das Gefühl haben, dass es ein wenig wie früher ist. In der Innenstadt von Los Llanos merkt man eigentlich nichts mehr und am Strand von Tazacorte genauso. Je näher man aber Richtung Kegel oder Lavafeld kommt, desto mehr nimmt man die Veränderung wahr. Immer noch liegt Asche am Straßenrand und immer noch wird einem plötzlich klar, dass die Straße einfach nicht mehr weiterführe wird. Für diejenigen, die hier wohnen ist das auch nochmal etwas anderes, als für Gäste. Wir konnten uns nun 12 Monate an die neuen Gegebenheiten anpassen und dennoch ist es manchmal noch erschreckend über die Lava zu fahren, weil man immer noch nicht in der Lage ist sich zu orientieren. Wer hier nun zum ersten Mal nach dem Ausbruch ist, der kommt häufig da erstmal gar nicht mit klar. Man hat ja vor seinem inneren Auge immer noch das alte Bild. Und so haben wir von manchen Gästen die Rückmeldung, dass einmal über die Lavapiste fahren reichen würde. Zu heftig seien da die aufkommenden emotionalen Regungen.

Heute sind auch verschieden spanische TV-Sender vor Ort und berichten. Und wenn man dann bei Emilio in der Bar sitzt und seinen Kaffee trinkt, dann laufen da im Hintergrund Filmaufnahmen vom Ausbruch. Irgendwie scheint das aber alles mittlerweile ganz unwirklich, dass das vor einem Jahr noch so war. Man sieht Menschen beim Ascheschippen und denkt daran, dass man das selber gemacht hat, was schon irgendwie vergessen war. Die Bilder der fließenden Lava wirken auch plötzlich ganz weit weg. Und eigentlich kann man froh sein, dass das so ist. Meine Frau sagt immer, dass der psychische Stress während des Ausbruchs sie mindestens zwei Lebensjahre gekostet hätten. Natürlich kann man überhaupt nicht sagen, welche Auswirkungen das letztlich auf die Psyche gehabt hat. Die Psychologen sprechen aber von einigen Menschen hier, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden würden. Die Reaktionen der Gäste heute bei Emilio beim Betrachten der Aufnahmen gingen aber dann eher in Richtung feixen, weil eine Großaufnahme von Jorge-Luis beim Ascheräumen zu sehen war. Und eigentlich ist das die gesündeste Reaktion die man haben kann.