Unangenehm

Heute gibt es nichts neues, obwohl sicher was passiert ist. Aber nun kommt ein privates Anliegen. Die Vorgeschichte ist eigentlich nicht wirklich kompliziert, dennoch muss ich ein wenig ausholen, auch um mein eigenes unangenehmes Gefühl bei der Sache zu erklären. Ich bitte nämlich ganz einfach um Geld und das aber nicht für mich, sondern für einen Freund. Unangenehm ist mir dass vor allem, weil ich während des Ausbruchs, als viele gefragt haben, wo und wie man den Betroffenen helfen kann, immer gesagt habe, dass man am besten auf die offiziellen Konten spenden soll. Das hatte vor allem zwei Gründe. Zum einen wurde das Geld, dass über diesen Weg verteilt wurde, nicht als Einkommen angesehen und musste in der Folge nicht versteuert werden. Das andere war, dass eben viele Menschen eine private Aktion über „Go fund me“ gestartet haben. Irgendwie fand ich das zu dem Zeitpunkt, zwar komplett verständlich, hätte ich für mich vielleicht selber auch gemacht, zum anderen wirkte das aber auch manchmal ein wenig unsolidarisch, weil man eben auch mitbekommen hat, dass da Leute Spenden für sich gesammelt haben, die zwar viel verloren haben, aber immer noch Geld in der Hinterhand hatten und damit in der Situation nicht zu den bedürftigsten gezählt haben. Im Normalfall gaben die Spender eben einmal Geld, und das, das bei Privaten landete, war für das Gemeinschaftskonto verloren.

Nun ist der Vulkan mehr als ein Jahr her, und es gibt unzählige, die neu angefangen haben. Geld von der Versicherung, der Familie oder private Unterstützung. Und das ist auch gut so. Mindestens genauso viele gibt es aber, die nicht wissen, wie es weitergehen soll. Das macht einen hilflos zu sehen. Schließlich begreifen meine Familie und ich uns als Teil dieser Gesellschaft auf der Insel und es ist nicht schön zu sehen, dass es vielen schlecht geht. Schlimmer ist es, wenn es sich um einen Freund handelt. Diego, aus Todoque kennen wir nun schon seit Jahren. Der Hintergrund ist, dass wir früher, bevor wir das mit den Ferienhäusern angefangen haben, die Minigolfanlage in Todoque hatten. Diego war unser direkter Nachbar über die Straße. Seine Eltern wohnten im oberen Haus und er wohnte mit Marta, seiner nun 11-jährigen Tochter in einer kleinen Wohnung unten. Wenn mal was gefehlt hat, war Diego immer da und seine Freunde Jose und Adelto, mit denen er aufgewachsen ist und die in den Bananen arbeiteten, kamen jeden Samstag bei uns am Kiosk vorbei und haben einige Biere getrunken. Das waren unsere Lieblingsgäste und wenn wir uns heute treffen, dann nehmen wir uns in den Arm. Jetzt an Sylvester haben wir Adelto getroffen und der erzählte, dass es Diego richtig schlecht gehen würde. Natürlich erzählt der uns das nicht, wenn wir ihn treffen, sondern fragt nur immer, ob wir etwas bezahlbares zur Miete für Ihn hätten. Adelto, der Diego sein ganzes leben kennt, weiss da mehr und deswegen haben meine Frau und ich beschlossen, dass wir für Diego ein „Go fund me-Konto“ einrichten, obwohl mir dabei nicht wohl ist.

Der Mann ist Mitte 40 und hat schon vor dem Vulkan einiges auf den Deckel bekommen. Erst hat ihn seine Frau für einen besser situierten verlassen, dann haben seine beiden Eltern jeweils einen Schlaganfall bekommen. Diese leben mittlerweile in einer betreuten Einrichtung auf der Ostseite, nachdem der Vulkan das Haus weggerafft hat. Diego ist in diesem Jahr 4mal umgezogen, die letzten Monate schlief er auf einem 2 Sitzer Sofa, weil das einzige Bett für seine Tochter reserviert war. Auch aus diesem Haus mussten die beiden nun aber ausziehen und mittlerweile wohnen sie in einem Container in Los Llanos. Für einen Landwirt, der ein paar Bananen und Salat angebaut hat und einige Hühner und Ziegen hatte, geht das aber nicht. In der momentanen Situation müssen sich viel umorientieren. Das können aber auch nicht alle. Diego ist Campesino, der muss da raus und der braucht seinen Acker. Das ist aber nun alles weg, bis auf ca. 800 qm Land, an das die Lava bis auf 10m. rangekommen ist. Die Rechnung ist nun ganz einfach. Da muss perspektivisch das neue zuhause hin. Land für Ackerbau kann man pachten, da hat er auch noch was. Für den Hausbau fehlt allerdings noch Geld. 80.000€ hat er, wovon 60.000€ Unterstützung aus dem Versicherungskonsortium waren. Damit baut man kein Haus mit 60qm und einem Schlafzimmer für ihn und einem für Marta. Marta kennt vielleicht der ein oder andere auch schon. Die ist mit meinem Sohn bei Pur+ in der Vulkansendung gewesen, auch da ging es um die Wohnsituation.

Das war Diegos Haus. Hinten sieht man einen der ersten Lavaströme, der noch knapp dran vorbei ist

Jetzt kann man natürlich sagen, dass es gerade genug Leute gibt, denen es wahrscheinlich noch schlechter geht als einem Landwirt aus La Palma im mittleren Alter. Und das stimmt auch. Mein Problem ist aber, dass Diego eben ein Freund und ein toller Mensch ist und deshalb versuche ich nun sowas wie Reichweite einzusetzen. Das verlorene Haus kennen Sie wahrscheinlich auch, wenn man nach Puerto Naos gefahren ist, dann war das am Ortsausgang von Todoque. Ich kann und will nicht auf irgendeine Tränendrüse drücken, aber als wir eben vorgestern mitbekommen haben, dass es Diego richtig schlecht geht, hat uns das runtergezogen und wir haben beschlossen, dass da was passieren muss. Manchmal merkt man eben erst, wir wichtig einem ein Freund ist, wenn man diesen leiden sieht. Wenn Sie nun sagen, dass Ihnen andere Projekte wichtiger sind, dann verstehe ich das, schließlich ist das ja mein persönlicher Bezug im Moment. Auf jeden Fall würde es hier zumindest den richtigen treffen und vielleicht weiß der ein oder andere auch nicht wohin mit seinem Geld, weil man ja im Moment gar nicht so viel heizen muss in Deutschland.

Das Geld geht direkt an Diego, ich habe keinerlei Zugriff auf das Konto. „Go Fund me“ behält pro Spende 2,9% plus 25 Cent für den Verwaltungsaufwand. Der Link zur Spendenaktion ist hier. Sie dürfen das aber gerne auch einfach nur weiterverbreiten.