Gegen den Fortschritt

Es geht um die Glaubensfrage. Nämlich darum, ob wir glauben, dass Modernisierung als Solches Fortschritt bedeutet. Eigentlich geht es nur um eine kurze Strecke Asphalt, die da auf eine Piste gelegt werden soll. Die Rede ist von der Piste am Naturdenkmal Teneguia in Fuencaliente. Also der Vulkan von 1971, nach dem kein Hahn mehr kräht, seit es hier im Tal vulkanisch gescheppert hat. Für die Gemeinde Fuencaliente, bislang der touristische Hotspot in Sachen Vulkan auf der Insel, ist das natürlich ein Schlag ins Kontor. Aberwitzig hatte man ja auf der Insel versucht, das Thema Vulkan und La Palma touristisch zu verkaufen, und im letzten Sommer waren massenhaft Canarios und Festlandspanier hier um sich das mal anzuschauen. Aber nun, nur ein Jahr später ist gähnende Leere. Jedenfalls hatte und hat die Gemeindeverwaltung aus dem Süden die Idee, dass man die Piste zum Teneguia asphaltieren müsste, damit die Heerscharen von Touristen bequem mit dem Touristenbus dorthin fahren kann um Vulkan zu schauen. Gegen diese Fortschrittspläne der Coalicion Canaria hat sich direkt Wiederspruch aufgetan. Schließlich ist es ja eine Unart, ein Naturdenkmal mit Asphalt zu pflastern. Die Gemeindeverwaltung verteidigt die Pläne dabei recht abenteuerlich. Schließlich soll die Asphaltdecke das Naturdenkmal schützen, indem dann keine Autos mehr reinfahren würden, die der Natur schaden würden. Man würde durch den Asphalt in der Lage sein, den Zugang zu regeln und zu begrenzen. Die ganzen Versuche, der Geschichte auf argumentativer Ebene beizukommen, haben nicht gefruchtet und nun hat die Plattform ECO La Palma bei der kanarischen Umweltschutzbehörde Klage eingereicht. Deren Sprecher, Gustavo Diaz, der aus Fuencaliente stammt, ist entsprechend sauer und spricht von einem Angriff auf den geologischen, landschaftlichen und sentimentalen Wert des Naturdenkmals. Schließlich sei dies sein Lieblingsort und man solle sich mal vorstellen, wie es einem gehen würde, wenn der eigene Lieblingsort in der Natur mit Asphalt zugedeckt werden würde, zudem dieser Ort für die Einwohner von Fuencaliente einen besonderen Wert habe. Aber natürlich muss man sich fragen, ob man aufgrund von irgendwelchen Sentimentalitäten der Einheimischen, auf den großen touristischen Fortschritt verzichten möchte. Deswegen kommt nun auch noch Julio Marante, dem Vorsitzenden des Verbandes der Fremdenführer von La Palma, um die Ecke und erklärt uns wie der Sachverhalt ist. Der Mann ist ja Experte und unterhält sich mit Touristen und seinen Kollegen. Und siehe da, die Fachleute sind der Ansicht, dass der touristische Wert des Naturdenkmals exakt darin begründet sei, dass die Gegend, abgesehen vom Weinbau, menschlich unberührt sei. Sprich, die Touristen kommen, wegen der Abwesenheit von Asphalt. Es wurden sogar extra die wandernten Touristen befragt. Die Winzerorganisation hat auch eine Umfrage gemacht. Die hätten gerne den Asphalt, weil man dann eben einfacher an die eigenen Rebstöcke hinkann. Allerdings äußerte auch ein großer Teil in der gleichen Umfrage Bedenken, dass eine Straße dafür sorgen würde, dass auch mehr Touristen kommen würden, denen die Natur nicht so heilig sei, und dann entsprechend Müll liegen gelassen würde. Ebenso hat man Angst vor den ganzen Campingmobilen, eine große Mode gerade auf den Kanaren, wobei am Wochenende der weiße Brummer irgendwo in die Gegend geparkt wird.

Allgemein wird den Gegnern solcher Geschichten ja immer vorgeworfen, dass man aufgrund idiologischere grüner Verblendung den Fortschritt, und die wirtschaftliche Entwicklung ausbremsen wolle. Manchmal muss man sich auch wundern, wenn die Umweltschützer gegen ein neues Teleskop auf dem Roque klagen, weil die Krähen auf den Felsen, auf dem das Fundament aus Beton gegossen werden soll rumsitzen. Der Krähe dürfte es aber vielleicht relativ egal sein, ob sie auf Felsen oder Beton hockt. Allerdings sind es ja immer die Befürworter solcher neuen Projekte, die da eine Glaubensfrage daraus machen. Die Experten, die da beraten, sind dann auch meist die, die das große Geld wittern. Deswegen wird uns ja auch das „Ökoressort“ im Osten als der große Wurf verkauft. Von den Verantwortlichen kommt doch tatsächlich niemand auf die Idee, dass der touristische Wert von La Palma, genau in der Abwesenheit von solchen Sachen liegt. Viele Leute auf La Palma nehmen den Tourismus auch gar nicht war. Dass da irgendwelche hellhäutigeren jeden Winter durch den Supermarkt rennen, das haben die schon mitbekommen. Aber man weiß ja gar nicht ob das Residenten oder Urlauber sind. Die fallen nicht groß auf und vor allem fallen sie nicht negativ auf. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Touristen hierher kommen, weil sie gar nicht negativ auffallen und auch kaum andere Touristen sehen die wiederum ihnen oder den Einheimischen negativ auffallen, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass wir hier die beste Form von Tourismus haben, die man sich vorstellen kann. Allerdings verdienen die Lobbyisten und Hotelfachleute nichts an diesen integrativen Urlaubern in ihren privaten Unterkünften und deshalb müssen sie immer in die Politiker reinsingen, dass wir hier auch endlich fortschrittlich werden sollten. Dabei leben wir doch gerade von den Liebhabern der Insel. Die meisten sind Wiederholungstäter die eine enge Verbindung zu La Palma haben. Dass nun nach dem Vulkan einige wegbleiben, ist auch verständlich, schließlich tun sich auch die Einheimischen teilweise extrem schwer, mit der veränderten Situation klar zu kommen. Man hat sich aber nach dem Vulkan gar nicht um unsere Stammgäste bemüht. Anstatt denen, die uns seit vielen Jahre treu sind, zu sagen, dass La Palma immer noch La Palma ist und sie sogar dazu gehören, hat man auf das Pferd der vulkanischen Attraktion gesetzt. Die, die den Drecksberg sehen wollten, haben das längst gemacht, die waren letzten Sommer 3 Tage hier. Nun kommen die auch nicht mehr, schließlich ist das Foto auf Instagram längst hochgeladen.