Nochmal Feuer und Lärm

Der aktuelle Stand des Waldbrandes ist nach wie vor in der Schwebe. Irgendwie scheint man hier auf der Insel dazu übergegangen sein, zu denken, dass das Feuer aus sei, wohin gegen im Rest Europas der zweite Komplettuntergang der Insel nach dem Vulkan medial zelebriert wird. Es gibt aber tatsächlich einen Stand der Dinge. Das Feuer ist nicht aus, sondern lediglich stabilisiert, was nicht mehr bedeutet, als dass es sich gerade nicht ungehindert weiter frisst. Und dennoch brennt es nicht. Das mag nun verwirren, hängt aber mit Glutresten, Wetterprognosen und allerlei anderen Geschichten zusammen. Der Wind, der heute weht, und bereits im Vorfeld angekündigt war, der liegt den Verantwortlichen schwer im Magen, weil einfach befürchtet wurde und wird, dass da noch mal was angeht. Die Hubschrauber und Bodenkräfte kühlen eben nach wie vor und schütten Wasser auf die Glut. Aber die Prognose lautete bereits, dass man das Feuer wohl heute im Laufe des Tages auf „kontrolliert“ setzten könne, dann ist auch nicht mehr die kanarische Regierung zuständig, sondern wir wieder selbst. Kontrolliert würde dann aber immer noch bedeuten, dass die Geschichte nicht gelöscht ist, man aber eben sicher ist, dass nun nichts mehr passiert. Warten wir also mal den Rest des Tages ab, ob wir da erstmal feuertechnisch über den Berg sind.

Gleichwohl muss man sich fragen, ob die ganze Art der Medienarbeit da so clever gelaufen ist. Die Zahlen, die das betroffene Gebiet betreffen wurden auf 4.500 ha gesetzt. Die Anzahl der verbrannten Wohnhäuser wurde bei den Pressekonferenzen auch sehr schnell auf mindestens 20 beziffert. Jetzt sagen die Satellitenaufnahmen von Copernikus aber, dass das betroffene Gebiet nur 2.240,2 ha umfasst. Das liegt also bei knappen 50% und wir reden von betroffenem Gebiet und nicht von vollständig verbrannter Erde. Die Anzahl der betroffenen Wohnhäuser ist mittlerweile auch auf rund die Hälfte reduziert, und da ist auch nicht klar, wie hoch die Schäden jeweils sind. Natürlich gibt es einige Häuser, die komplett abgebrannt sind, aber nun scheint sich niemand mehr für die tatsächlichen Zahlen zu interessieren. Das, was medial in den touristischen Entsendeländern angekommen ist, ist aber vergleichbar mit der totalen Feuerapokalypse. So hat sich dann gestern das Cabildo Insular genötigt gefühlt ein Video zu veröffentlichen, indem auf die Sicherheit auf der Insel hingewiesen wurde. Man erwarte einen baldigen Besuch, so er denn geplant war, schließlich sei die Fläche ja nicht groß und auch der Flughafen sei absolut sicher, da gebe es keinerlei Beeinträchtigungen durch das Feuer. Das Ganze wurde von der neuen Conseja für Tourismus, Raquel Rebollo, leicht unsicher im medialen Wirken, in die Kamera getextet. Wenn man genau Bescheid weiß, was hier Sache ist, dann mag man das gesagte verstehen. Für jemanden, der ob Vulkan oder Feuer eh schon verunsichert war, war das aber eher Wasser auf die Mühlen der Verunsicherung. Allein die Aussage, dass der Flughafen absolut sicher sei, beinhaltet irgendwie eben auch die Information, dass man sich in ein absolutes Katastrophengebiet begeben würde, eine sichere Landung auf dem Flughafen ist aber gegeben, vermutlich, weil Blauhelmsoldaten da stationiert wurden. Dabei haben wir hier Normalität. Es ist alles in Butter, im Rahmen dessen was möglich ist. Natürlich sind manche Teile der Insel, wegen dem Vulkan nicht zugänglich und es kann sogar sein, dass sie es in absehbarer Zeit auch nicht mehr sein werden. Auch leben noch Menschen in Notunterkünften. Aber auch die gehen zur Arbeit, verbringen nun den Sommer am Strand, und feiern heute Abend in El Paso ein Konzert, dass ich es mit der nackten Angst zu tun bekomme.

Heute Abend findet das RESISTIME-Festival im Stadion von El Paso statt. Raggaton und Merenge. Irgendwie scheint der Hauptakt, Manuel Torizo auch wirklich bekannt zu sein. Ich kenn den nicht, jedenfalls sagt mir der Name gar nichts. Aber da kommen richtig viele Leute. Die teuersten Karten für € 150,- sind längst ausverkauft von den billigen (50€) gibt es wohl noch welche. Die Bühne wurde die ganze Woche aufgebaut und seit zwei Tagen gibt es regelmäßig Soundchecks. Die lassen einen übles erwarten. Die Pappe steckt schon wieder in den Fenstern, weil da alles vibriert und es sind tatsächlich Sachen von der Wand gepurzelt, weil die tatsächlich wackelt, was sicher nicht nur dem Bass, sondern eben auch der Hohlblockbauweise geschuldet sein dürfte. Man fühlt sich ungut an die schlimmsten vulkanischen Zeiten erinnert. Ich hoffe auf mehr Wind. Die Bühne und damit die Boxen sind in gerader Linie auf unser Haus ausgerichtet. Eine kräftige Prisa würde einen Teil des Schalls in Richtung Tal ablenken. Dabei habe ich natürlich nichts gegen Konzerte, meine altersbedingte Intoleranz sorgt aber dafür, dass ich vor dem heutigen Abend, es geht um 18Uhr los und die Busse fahren um 2:30 Uhr, gewaltig Bammel habe. Ich weiß gar nicht, ob ich spießig werde, oder ob es die scheinbar angeborene Abneigung gegen oberflächliche, gehirnaufweichende Populärmusik ist, die mich da in den inneren Widerstand treibt. Und ja, ich schäme mich auch ein wenig für meine eigene Phantasie, wie ich heute Abend die Ankömmlinge zum Konzert mit extra dreckigem Punkrock aus der recht potenten Hifi-Anlage beschalle und mich dabei immer noch als Rebell fühle. Mit würdevoller Alterung haben solche Gedanken nichts zu tun.