Spanien hat gewählt und letztlich ist nun weiterhin alles in der Luft. Zwar haben die Rechtskonservativen von der PP die meisten Stimmen aber, auch zusammen mit den Rechtsextremen von VOX reicht es nicht um eine Regierung zu bilden. 176 Parlamentssitze sind nötig, und die beiden kommen zusammen auf 169. Die PSOE und Sumar haben zusammen 153, aber da kommt noch was dazu von kleineren linken Regionalparteien. Damit läuft der linke Block mit 172 Sitzen aus der Wahl raus. Das reicht aber immer noch nicht, um eine Regierung zu stellen. „JUNTS“ heißt die Partei, die nun das spanische Schicksal in der Hand hat, und in der ersten Reaktion gestern Nacht, hat man gleich mal verlauten lassen, dass die Geschichte teuer werden wird. Wir reden hier von den katalanischen Nationalisten. Die Unabhängigkeitsbefürworter dort sind sich auch nicht einig. So wird die andere große katalanische Partei „ERC“ direkt dem linken Lager zugerechnet. JUNTS, eher rechtspopulistisch, aber eben auf Katalanisch, lebt jedoch vom Krawall. Die eigene Stärke hängt massiv vom Gegenwind, den es aus Madrid gibt ab. Und so haben gestern gleich einige Kommentatoren gesagt, dass es für deren politische Zukunft eigentlich besser wäre, wenn in Madrid die rechtsradikalen von VOX am Ruder wären, die schon im Vorfeld gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung die entsprechenden Drohungen für die Zeit nach dem Wahlsieg gen Barcelona geschickt haben. Auf der anderen Seite könnte es für die Populisten natürlich auch gefährlich werden, wenn man am Ende für Neuwahlen sorgt, und damit doch noch eine rechte Regierung ranlässt. Würde man doch damit kurzfristig zeigen, dass einem das vermeintliche Wohl der Katalanen weniger am Herzen liegen würde, als die eigenen Interessen. Wir reden hier von der Partei von Carles Puigdemont, dem in Spanien eben noch juristisches Ungemach droht. Deshalb fordert man nun entsprechende Gegenleistungen, sollte man die Nötigen Stimmen beitragen um Sanchez im Amt zu halten. Neben einem Referendum zur Unabhängigkeit, möchte man eine Amnestie. Beides sind aber im spanischen Rechtstaat eher Dinge der Unmöglichkeit. Ein verbindliches Referendum kann es nicht geben, weil dieses der spanischen Verfassung widersprechen würde und auch eine Amnestie, ist in einem Rechtsstaat nicht so einfach. Schließlich ist es die Staatsanwaltschaft, die Anklage erhebt und Richter die verurteilen oder freisprechen. Normalerweise sollte die Politik sich da ja eigentlich raushalten.
Was aber klar ist, ist, dass die Spanierinnen und Spanier und alle dazwischen, gestern einer Beteiligung einer rechtsextremen und menschenverachtenden Partei an der Regierung eine Absage erteilt hat. Wenn man sich die Geschichte mit der Sitzverteilung anschaut, dann sogar noch deutlicher, als man auf den ersten Blick sieht. Nicht alle Stimmen sind hier gleich viel Wert. Das hängt damit zusammen, dass man hier den bestimmten Regionen eine entsprechende Anzahl von Parlamentssitzen zuordnet. Das sorgt dafür, dass auch Parteien aus den einzelnen Regionen, wie eben die Katalanen oder die Basken mit ihrer jeweiligen Partei Madrid vertreten sind, sorgt aber auch für eine entsprechende Verzerrung der Ergebnisse. Wenn es also in einem Wahlkreis 4 oder 5 Sitze gibt, dann sorgt das dafür, dass je nach Stimmenverteilung jemand leer ausgehen wird. Da es in Spanien aber keine Ausgleichsmandate gibt, wird häufig nicht der wirkliche Prozentsatz des Stimmenanteils in den Parlamentssitzen wiedergegeben.
Das lässt sich wie folgt darstellen:
Die Gewinner sind neben den kleinen Parteien die beiden großen. So hat die die PP 38,9% der Sitze aber nur 33 % der Stimmen erhalten. Auch im Plus ist die PSOE Auf 31,7% Stimmenanteil kommen 34,9% Sitzanteil.
Die Verlierer sind die Parteien auf dem 3. Und 4. Platz. Vox hat 12,4% der Stimmen, aber nur 9,4% der Sitze. Sumar hat es noch ein wenig schlimmer getroffen. 12,3% der Stimmen entsprechen 8,9% der Sitze. Oder in anderen Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass rund 600.000 Stimmen von Sumar nicht ins Gewicht fallen.
Wenn man sich die ganze Geschichte anschaut, dann gibt es nur Verlierer. Auf den ersten Blick meint man vielleicht, dass die PP der große Sieger sei, vor allem, wenn man sich die Ergebnisse der letzten Parlamentswahl anschaut. Aber so einfach ist die Sache eben nicht. Nach den Regionalwahlen vor nicht einmal 2 Monaten, kratzten die an der absoluten Mehrheit. Überall wurde berichtet, dass die zukünftige Regierung in Spanien eine rechte Regierung sein wird, und falls es den Konservativen alleine nicht reichen würde, dann würde es eine Koalition mit VOX geben. Eine eigene Mehrheit hat die PP aber bei weitem nicht und auch mit VOX reicht es nicht. Eben wegen Vox gibt es keinerlei andere Option für eine Koalition. Wir haben also zwei Szenarien zur Auswahl. Die erste wäre eine progressive Minderheitsregierung unter der Führung der PSOE und Sumar, die sich mit Stimmen von JUNTS, welche sicher teuer werden, ins Amt wählen lässt. Die andere Option wären dann eben zeitnahe Neuwahlen.
Eine Lehre hat die ganze Sache aber auch noch. Und irgendwie sieht es so aus, als ob der Herr Merz aufgepasst hat. Beim gestrigen Sommerinterview hat der ja noch einige Löcher in die Brandmauer zur AFD gemacht. Man könnte denken, dass sich das Kokettieren mit den Rechten lohnen könnte, schließlich war ja ein Erdrutschsieg der Rechten in Spanien vorhergesagt worden. Auffallend ist nun aber, dass vor allem in den Regionen, in denen sich die PP mit VOX bei der Regionalwahl an die Regierung koaliert hat, die Konservativen die stärksten Einbußen hatten. Vor allem dort, wo man noch vor der Regionalwahl hoch und heilig ein Bündnis mit den Rechtsextremen ausgeschlossen hatte und von der Madrider Parteiführung dann zur Koalition gedrängt wurde, waren die Stimmverluste im Vergleich zur Regionalwahl vor zwei Monaten gewaltig. Und siehe da, der Herr Merz rudert in Sachen Brandmauer zurück und schließt auch eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene mit der AFD aus.
Neben dem Kongress wurde auch noch der Senat gewählt. Hier schicken die großen kanarischen Inseln 3 und die kleinen jeweils einen Senator nach Madrid. Teneriffa und Gran Canaria entsenden je 2 Sozialisten und einen Konservativen. Fuerteventura, Lanzarote und Gomera jeweils einen der PSOE. Auf La Palma hat Kilian Sanchez das Senatorenamt von der PP zurück zur PSOE geholt. Die einzige Insel auf der die Sozialisten nicht das Rennen gemacht haben ist El Hierro. Hier kommt der Senator von der AHI, kanarische Nationalisten, die im Bündnis mit der Coalicion Canarias stehen. Ein weiterer Senator wird im Laufe der Woche vom kanarischen Parlament entsendet. Hier ist der ehemalige Inselpräsident von Lanzarote nominiert. Lustig ist dass die beiden aus dem Umfeld der CC stammenden Senatoren beide gerade mächtig Ärger mit der Justiz haben. Beiden droht eine langjährige Haftstrafe wegen Korruption und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dadurch, dass die beiden nun aber nach Madrid gehen, wird nun ein anderes Gericht für die Fälle zuständig. Und, dass der Richter, der nun den Vorsitz bei diesen Verfahren hat, zufällig von den Kanaren kommt und über ein entsprechendes Parteibuch verfügt ist sicher nur ein Zufall. Auch die Tatsache, dass unser Kanarenpräsident Clavijo vor einigen Jahren in einer ähnlichen Situation von seinen Parteigenossen zum Senator berufen wurde, und sein Korruptionsverfahren, von genau diesem vorsitzenden Richter eingestellt wurde, hat sicher nichts mit den jetzigen Nominierungen zu tun.