Brüssel zwingt uns Insekten zu futtern

„Die Schweine wollen uns die Schweine wegnehmen und es soll nur noch Käfer geben“. So, oder so ähnlich schwirrt es wohl durch den Hohlraum zwischen den Ohren von Javier Nieto, Abgeordneter der Rechtsextremen Voxpartei im kanarischen Parlament.  Der meint nämlich tatsächlich, dass die EU sich in die Agenda geschrieben habe uns zum Konsum von Insekten zu zwingen. Die scheinen uns alles wegnehmen zu wollen und, neben der Bevölkerung, soll nun auch noch das Fleisch ausgetauscht werden. Heuschrecke statt Iberico-Schinken und Mehlwurm statt Chorizo. Wobei die Chorizo das Thema ganz gut trifft. Die ist nämlich oft nicht nur wegen der Paprika so schön rot, sondern auch wegen dem E120 Farbstoff. Wer nun entsetzt auf die Wurstverpackung schaut und die böse chemische E-Nummer zum Anlass nimmt auf lecker Wurst zu verzichten, dem sei mit der Information geholfen, dass E120 ganz natürlich ist. Cochenille lautet das Zaubertier, das Wurst, Lippenstift und anderes schick rot färbt. Also nicht chemisch, aber dafür tierisch. Wer nun Angst hat, dass er ja eigentlich Vegetarier sei, schließlich ist das Zeug ja auch in manchen Süßigkeiten, der kann sich wieder beruhigen. Im Prinzip sind es nämlich die Lauseier, die den Rotton machen und nicht die Laus selbst. Wo also der Veganer Probleme bekommt bewegt sich der Vegetarier im grünen Bereich der tiefrot eingefärbt ist. Nun aber zurück zum Heini von Vox und der angeblichen Agenda mit den kriecherisch krabbelnden Lebensmitteln. Die PSOE hat nämlich im kanarischen Parlament den Antrag gestellt, dass die Chochenilelaus EU-weit als Lebensmittel deklariert werden soll. Wir haben nämlich ab diesem Jahr bereits vier zugelassene Insekten zum Verzehr, die, bei entsprechender Deklaration, allem möglichen beigemischt werden dürfen. Da die Laus traditionell auf den Kanaren auf den Kakteen gezüchtet wird und sogar noch, wegen der Topqualität, ursprungsgeschützt ist, will man das Krabbelvieh nun als Nummer 5 auf der Liste. Vielleicht, so die Politiker aller Parteien einhellig, tut sich dadurch eine neue Option für unserer kanarische Landwirtschaft auf und die Kultivierung der Laus ist eben auch unser Kulturgut. In längst vergangenen Zeiten war der Farbstoff unser Hauptexportgut. In der Parlamentsdebatte haben manche die große Chance zur Neuaufstellung unseres Landwirtschaftssektors entdeckt. Und neben der Laus hat Raúl Acosta, von der Agrupación Herreña Independiente, auch medizinisches Cannabis als mögliches neues Produkt mit Zukunft in den Ring geworfen. Allerdings scheint es ein wenig so, als ob nicht nur die Spinner von Vox Populismus betreiben. Dass die Produktion von Cochenille als Lebensmittel irgendwas bringen soll, glaubt sicherlich niemand, wenn er ernsthaft darüber nachdenkt. Die Läuse von der Kaktee zu glauben ist nämlich höchst anstrengend und aufwendig. Und man fragt sich ernsthaft, was die Zulassung als Lebensmittel bringen soll. Der Nährwert ist nicht toll, es geht um die rote Farbe. Und der Witz der Sache ist eben, dass E120 seit 2003 in der EU als natürlicher Lebensmittelfarbstoff zugelassen ist. Wer also rote Wurst will, der kann jetzt schon Lauseier konsumieren und das sogar unter dem recht unverfänglichen Namen E120. Bei den Insekten als Lebensmitteln muss genau gesagt werden, wie das Tier heißt. Lateinischer Name reicht nicht aus. Da muss dann auch in der jeweiligen Landessprache draufstehen, was für ein Geviech das ist. Aber vielleicht hofft man da auf die geschützte Ursprungsbezeichnung. Dann steht auf der Zutatenliste nicht E120 oder Laus, sondern da steht dann eben „kanarische Laus“.