Über den Tellerrand schauen

Hier ist gerade nicht viel los. Obwohl das nicht wirklich stimmt. Es passiert zwar nichts, weil in den Rathäusern österliches Schonprogramm stattfindet, aber viel los ist gerade dennoch. Wobei sich das aber etwas ausgleicht. In der Semana Santa boomt nämlich gerade der innerkanarische Tourismus. Sprich man fährt von der einen auf die andere Insel um da einige Tage zu verbringen. Das sorgt, was die Gesamtanzahl von Menschen angeht, für einen gewissen Ausgleich. Ganz so wird der Schuh aber nicht passend. Der Canario kommt im Urlaub selten auf die Idee, dass er selber kocht. Man geht auswärts essen. Ob in eine Bar für Tapas oder Papas Locas oder fein ins Restaurant, ist nicht wichtig. Man sitzt dann aber für gewöhnlich mehrere Stunden und gönnt sich einige Weinchen. Das bedeutet, dass es dann staut, und nachfolgende Gäste warten müssen. Da kann man aber keinen Vorwurf draus machen, schließlich ist das zusammensitzen im Restaurant ein integraler Bestandteil des Urlaubs, da will man sich nicht hetzen lassen. Mein Nachbar Mili wollte auch einige Tage wegfahren, als er dann aber die prognostizierten Zahlen für Autos, die da zwischen den Inseln hin und herbewegt werden vernommen hat, hat er dankend abgewunken und verschiebt das auf nach Ostern. Hier merkt man aber auch die Auswirkungen. Gerade in der Gegend der Lava sieht man gerade wieder viele Autos, die extrem langsam fahren und statt auf die Straße in Richtung Krater starren. Aber nach Ostern ist ja hier wieder alles beim alten und der internationale Tourismus endet dann ja auch wieder im Mai. Dann wir es ruhig auf der Insel. Drei Flugzeuge aus Deutschland reichen nicht. Als jemand, der sein Geld mit den Urlaubern verdient, finde ich das natürlich nur mäßig gut, der Insel gönne ich aber die Ruhepause. Zu heftig ist nämlich das was wir auf den anderen Inseln erleben. Auch da ist im Sommer etwas weiniger los als im Winter aber dennoch bleibt es betriebsam. Hier träumen ja so einige davon, sich von den großen des Fachbereichs Tourismus, so die eine oder andere Scheibe ab zu kopieren. Diejenigen die mahnen, dass das eher doof sei, werden dann gerne als Feinde des kollektiven Fortschritts und des Wohlstands der Bevölkerung bezeichnet und natürlich wolle man gar nicht, dass es so endet, wie auf Lanzarote oder im Süden der beiden ganz großen Inseln. Wobei unser Inselpräsident sich dann eben doch ein Puerto de Mogán für Puerto de Tazacorte vorstellen kann. In den letzten Monaten hat man international aber schon war genommen, dass die touristische Glückseligkeit auf den Kanaren etliche Risse bekommen hat. Da wird protestiert und man findet Graffitis, die den Urlauber dazu auffordern, dass er sich doch bitte nachhause begeben möge. Die internationale Presse springt auf so etwas an und auch die lokale Presse macht dabei mit. Immer häufiger ist hier in den Medien zu sehen, dass sich Urlauber nicht an die Spielregeln halten. Da wird neben den Petroglyphen in die Steine gekratzt, man wandert durch geschützte Gebiete, die nicht betreten werden dürfen und die Raufereien, zwischen Engländern und Alemannen werden auch zum Thema gemacht. Auf den massentouristischen Inseln regt sich nun langsam der Widerstand. Man plant nun für den 20 April die grüßte Demonstration der Geschichte der Kanaren. Ob das klappt, steht in den Sternen. Unzählige Verbände und Initiativen beteiligen sich an den Aufruf unter dem Titel „Canarias tiene un limite“. Demonstriert wird parallel auf Teneriffa, Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote. Gerade auf Lanzarote sind die touristischen Auswirkungen am deutlichsten zu sehen. In einem Artikel aus Canarias Ahora vom Juli 2023 wird thematisiert, dass, gemessen von Beginn der 2000er, die Zahl der Einwohner, die unter der Armutsgrenze leben, gewissermaßen parallel zu zum Anstieg der touristischen Besucher verlief und nun bei über 18% liegt, dann muss man fast schon böswillig sein, um da keinen Zusammenhang zu entdecken. Auf die 150.000 Einwohner kamen im Jahr 2022 3Millionen Besucher. Die Arbeitslosigkeit ist zwar auf einem historischen Tiefststand, aber mit über 8,5 % für ein Gebiet, dass dermaßen touristisch überlaufen ist, viel zu hoch. Man kann auch Zahlen nennen, dass es im Jahr 2019, pro Einnahmen von €10.000,- in Beherbergungsbetrieben, gerade mal 1,78 Arbeitsplätze gab. Das Geld bleibt also dann nicht bei der der Bevölkerung hängen und schafft den propagierten Wohlstand, sondern fließt ab. Gleichzeitig treibet der Tourismus aber die Preise nach oben. Am schlimmsten ist das mittlerweile beim Wohnraum. Die mieten, sind wegen Booking und Konsorten so dermaßen hoch, dass man mit einem normalen Gehalt da geliefert ist. Auch weil nach wie vor viele Nichtresidenten aus Mitteleuropa Häuser und Appartements kaufen um zweimal im Jahr zu urlauben und es den Rest der Zeit zu vermieten. Deshalb wird auf den Demonstrationen nun auch gefordert werden, dass Nichtresidenten keine Immobilien mehr kaufen dürfen. Auch eine Ökoabgabe wird gefordert, pro Urlauber und Tag, weil die Ökologischen Auswirkungen, wie Wasserverbrauch, Müll, Verkehrschaos, die die Urlauber verursachen, kompensiert werden sollen. Außerdem wird gefordert, dass die Naturräume besser geschützt werden und man fordert die Beendigung von touristischen Großprojekten, denen mittels Deklaration zum insularen Interesse, Hürden in Sachen Ökoauflagen und Naturschutzgebieten, aus dem Weg geräumt werden. Man fordert ein anderes Modell in Sachen Tourismus, und, betrachtet man, dass die Stimmung in der Bevölkerung etwas zu kippen droht, sollte man von La Palma aus, ganz wachsam schauen, was da auf den anderen Inseln passiert.