Nahezu sämtliche alemanischen Medien haben da gestern berichtet. Der Kanarier hat angeblich die Schnauze voll, und möchte keine massigen Touristen mehr sehen. Und wie zu erwarten reagiert da manch einer empfindlich und kündigt dem undankbaren Pack an, dass er seine sauer verdienten Euros in Zukunft wo anders an die Hotelketten zahlen möchte. So gesehen schaden die Demonstranten natürlich den insularen Einkommen. Allerdings muss man die Frage stellen, ob man eben nicht auf diese Art von Gästen, die empfindlich aufheulen, weil sie nur eine Spur von Kritik an ihrem Verhalten wittern, verzichten kann oder sogar möchte. Wie überall gibt es eben solche und solche, und das hat man gestern auch bei den Demonstrationen gesehen, die auf Mirame TV ganze 3 Stunden live im Fernsehen übertragen wurden. Ähnlich stumpf, wie gerade mancher Urlauber reagiert, waren da auch einige Wortbeiträge bei den Interviewten zu vernehmen, die den Umstehenden sichtlich peinlich waren. Manch einer feuerte da gewaltig gegen die Ausländer, die da sein Land besetzten würden und der freundliche Reporter fragte dann mal ganz unverbindlich, ob der Befragte denn generell unter einer Xenophobie leiden würde, was den Mann dann wiederum sichtlich verunsicherte. Wie immer geht es natürlich darum, wie man so einen Protest, wie er gerade stattfindet, lesen möchte. Den Veranstaltern war es bereits im Vorfeld wichtig zu betonen, dass man nicht gegen den Tourismus demonstrieren möchte, sondern gegen die Tourismuspolitik der Regierung. Dass sich da dann einige dranhängen, denen der nationale Identitätsstift geht, war zu erwarten, und dass auf der anderen Seite einzelne Medien berichten, dass nun gegen den Touristen als solchen demonstriert wird ebenso. Das liest sich einfach erheblich besser und der Michel hat was zum Aufregen. Dabei ist der Grund für den Unmut im Prinzip ganz einfach zu verstehen. Betrachtet man die Tatsache, dass die Zahl der Touristen auf den Kanaren sich, verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise 2008/09, verdoppelt hat, gleichzeitig aber die Armutsquote, trotz Einführung des Mindestlohns, sogar gestiegen ist, dann merkt man, dass da irgendwas nicht stimmt. Wenn ein Großteil der Bevölkerung, ob dieses Anstieges nicht nur nicht finanziell profitiert, sondern die Lebensqualität, verursacht durch Wassermangel, Vermüllung und verstopfte Straßen, noch zurückgegangen ist, dann macht das einige Leute sauer. Die Folge sind nun eben diese Proteste und ja, langfristig kann daraus eine echt ekelhafte Geschichte werden, weil da manch Populist sicher sein kanarisch nationalistisches Süppchen auf den Herd setzten wird. Die kanarische Regierung hat gemeinsam mit den Hotelverbänden bereits im Vorfeld der Demonstrationen mächtig gegengeschossen und der Kanarenpräsident Clavijo musste dann aber kurz innehalten, nachdem die Presse sich bereits im Vorfeld auf die Seite der Protestler geschlagen hat. Deshalb ist der Mann dazu übergegangen, die Schuld für das Dilemma an die Hotelbetreiber zu verteilen, weil diese die Löhne nicht erhöht hätten. Dass die Politik da gestern als der Hauptgegner gesehen wurde, hat auch das Fernsehen berichtet. Da hat man sich darüber belustigt, dass die Regierung die Zahl der Teilnehmer auf Teneriffa mit nur 15.000 beziffert hätten und diese Zahl schon vor Beginn veröffentlicht wurde. Später dann hieß es, dass es doch knapp über 30.000 gewesen seien. Die Reporter, haben aber auch diese Zahl angezweifelt. Der Blick von oben, sei eher wie bei den Karnevalsveranstaltungen, und da würde die selbe Regierung gerne von über 100.000 Teilnehmern sprechen. Da man davon ausgehe, dass es sich bei beiden Zahlen um Politik handeln würde, glaube man also an irgendwas dazwischen. In der Summe seien es auf allen Inseln 55.000 Menschen gewesen, sagt die Politik (nicht die Polizei), gegen die ja demonstriert wurde. Die Veranstalter sprachen von 150.000 Teilnehmern. Die Berichterstattung war aber so massiv, dass nun eine breite Öffentlichkeit, nicht nur auf den Kanaren, entstanden ist. Politik und Gesellschaft müssen sich nun damit auseinandersetzen.
Wie man die touristische Kuh nun vom Eis bekommt, weiter melken kann, die Milch aber gerechter verteilt, dass ist nun die große Frage. Ganz unterschiedlich waren da nämlich auch die Forderungen der Demonstranten. Die einen stellen sich gegen die Hotelbunker, die anderen gegen die Ferienwohnungen. Der Weg zur Lösung wird also nicht ganz einfach. Parallel gibt es ja gerade schon ein en Gesetzesentwurf zur Regulierung der Ferienwohnungen. Da entstehen immer mehr, weil man sich da große Profite durch Kurzzeitvermietungen erhofft. Allerdings haben Forscher der Universität von Gran Canaria festgestellt, dass diese Wohnungen gar nicht das Problem seien. Viel schlimmer sei die hohe Anzahl von Menschen, aus dem Ausland, die auf den Kanaren eine Zweitwohnung hätten und diese nur wenige Wochen im Jahr nutzen würden. Diese würden dann auch noch unter der Hand an Freunde vergeben, damit die auch mal Urlaub machen können. Die „Freunde“ finden sich in Facebookgruppen und sonst wo. Diese Praxis ist übrigens auch auf La Palma weitverbreitet. Defactoferienhäuser, die offiziell keine sind. Die auch nicht bei Booking und Konsorten auftauchen, weil man da ja Probleme bekommen würde. Für den Urlauber ist das bequem, weil der „Freund“ das ja billig macht und die Bude von einem Deutschen für Deutsche eingerichtet wurde. Nicht nur, dass die Kohle wieder abfließt, noch nicht mal Steuern werden da berappt, dafür aber die gesamte Infrastruktur benutzt. Damit hängt dann aber die einzige Forderung, die die Organisation an die Touristen selber hatten, zusammen. Die mögen sich bitte darüber klar werden, dass hier Menschen wohnen. Bedenkt man, dass „zuhause“ eben nicht unbedingt an der eigenen Gartentür endet, sondern Dorf, Gemeinde oder Insel bedeuteten kann, dann muss man als Urlauber klar haben, dass das eigene Verhalten oder die Art des Konsums direkte Auswirkungen auf eben dieses „zuhause“ von etlichen Menschen hat.
Spannend bei der Geschichte ist, dass zumindest der Chef der Melia-Gruppe, der größten spanischen Hotelkette, inhaltlich recht nahe auf der Seite der Demonstranten steht. Dieser fordert einen Stopp des touristischen Wachstums, nicht nur auf den Kanaren, sondern in ganz Spanien. Man sei gerade dabei, die Kuh die einem die Milch gibt, zu Tode zu melken. Die Menschen würden in Spanien Urlaub machen, weil Sie bestimmte Erwartungen an Natur und Kultur haben würden. Man bewege sich gerade aber auf einen Kipppunkt zu, weil wir unser Produkt das wir anpreisen, selbst zerstören würden.