Der Stratege instrumentalisiert den Tourismus

Wir wollen und sollen wirtschaftlich vorankommen. Nur haben wir halt nicht wirklich was auf La Palma. Die ganzen Geschichten mit Silikon Island Hightech sind und waren Wahlkampfsprech aber natürlich stehts unrealistisch. Wir haben Banane, Avocado und Tourismus. Fast alles wird von außerhalb gekauft, deshalb müssen Sie, liebe La Palma-Urlauber zu uns kommen und das Geld zurückbringen. Schön lokal buchen, am besten häufig zum Essen gehen und auch das Auto nicht beim Herz mieten. Wir horten dann das Geld nicht, sondern schicken es in den insularen Kreislauf und am Ende geht es wieder nach Deutschland, weil man eine neue Waschmaschine von Bosch braucht. Das wir die Geschichte aber halbwegs ausgeglichen gestalten können, dafür brauchen wir noch einige Leute mehr, die uns besuchen kommen. Nach dem Vulkan sprechen die lokalen Politiker davon, dass wir locker noch 5.000 Bettchen mehr bereitstellen könnten. Wir wollen da also noch ein wenig wirtschaftlich wachsen, und deshalb haben heute sämtliche Abgeortnete des Cabildos in Einstimmigkeit und parteiübergreifend beschlossen, dass wir da strategisch wirtschaftlich wachsen möchten. Aber natürlich nicht wild, sondern nachhaltig palmerisch, mit ganz viel Identität und an unsere Lebensrealität angepasst. Trotzdem möchte man mehr Hotels, auf dem Land und in der Stadt, große Anlagen und Ferienhäuser sollen dazu kommen. Aber natürlich immer, so versichert man uns und sich selber, nachhaltig und ressourcenschonend. Vor allem unsere Natur ist da ganz wichtig, da soll gar nichts passieren und deshalb erwähnt man freilich nicht, dass es gerade sehr wohl eine Diskussion darüber gibt, dass man den Vulkangeschädigten eben nicht nur den Wiederaufbau des Erstwohnsitzes, sondern auch der Zweitbude und des dritten bis achten Ferienhauses genehmigen möchte, und das eben zu den selben Bedingungen, wie die des Erstwohnsitzes. Damit sollen dann also auch Gebiete, die eigentlich geschützt, baulich erschlossen werden. Ganz konkret geht es zum Beispiel um die Gegend unterhalb des Bejenados. Bis zu 1.000 Gebäude, mit Infrastruktur und allem drum und dran, stehen da zur Diskussion und dabei eben auch einige Ferienhäuser. Die Sozialisten der Insel wittern da sogar eine Instrumentalisierung der Vulkanopfer, um lang geplante Projekte für die Spekulation mit Grund und Boden doch noch durch zu bekommen. So geht dann Nachhaltigkeit, wenn man da finanzielle Interessen pflegt und die Geschichte mit der Identität ist bei der Coalicion Canarias auch nur bedingt mit dem Erhalt der palmerischen Natur verbunden. Neben dem nationalen Populismus gibt man sich nämlich auch gerne ganz wirtschaftsliberal, und baugenehmigt alles in Grund und Boden.

Hier wird die Sache mit der Identität sowieso immer wichtiger und wie befürchtet versuchen die Nationalisten gerade gewaltig den Protest gegen den Massentourismus auf den Kanaren zu kapern. Wenn in der Zeitung die Geschichte einer Frau aus Malaga erzählt wird, die nach 30 Jahren Arbeit im Süden Teneriffas eine solche Mieterhöhung vor den Latz bekommen hat, dass Sie nun genötigt ist, ihre neue Heimat nach Jahrzehnten aufzugeben und in die Wohnung ihrer 90jährigen Mutter in Malaga ziehen wird, haben da viele kein Mitleid. Die Kommentare unter solchen Meldungen werden zusehends unlustig. Und man traut sich nun tatsächlich aus der nationalen Ecke so laut raus, dass man gut findet, wenn die Dame verschwindet, weil es dann mehr Platz für echte Canarios geben würde. Auch die Politik reagiert und der Ministerpräsident Clavijo bringt direkt ein Immobilienkaufverbot für Ausländer ins Gespräch. Die EU hat aber kurz zurückgemeldet, dass das nicht funktionieren würde. Aber man macht in guter Populistenmanier eben den einen Schuldigen für den Wohnraummangel ausfindig, und muss auch gar nicht gegen die illegale Vermietung vorgehen, die, sowohl von Ausländern, aber auch von Canarios zu Hauf betrieben wird, und laut Wissenschaftlern der Universität von Las Palmas eine der Hauptursachen für die momentane Wohnungssituation darstellt. Da würde man aber eventuell jemanden vor den Kopf stoßen, der damit Geld verdient und deshalb weigert man sich strickt, eine Behörde einzurichten, die gegen illegale Ferienvermietungen vorgeht. Genauso ignoriert man den verordneten Baustopp für zwei Großhotels auf Teneriffa, der von der spanischen Küstenbehörde angeordnet wurde und lässt Bagger und Zementmischer Tatsachen schaffen. Nicht mal ein Hungerstreik hat es geschafft die Herrschaften zu bremsen. Erhalt der Natur ist nicht so wichtig. Generell sind einige dieser Leute alles andere als lustig. Und wenn es zwischen den Ohren dieser Heinis zu viel Platz hat, dann muss man den Hohlraum mit Identität befüllen. Wer nichts sonst hat, der benötigt Nation. Vor einigen Jahren war hier die 40-Jahr-Feier der großen Grundschule im Dorf. Und unser damaliger Bürgermeister und jetziger Inselpräsident musste eine Rede halten, in der er den Kindern zwischen 3 und 12 Jahren den Wert palmerischen Blutes erläutert hat. Blut ist sowieso das wichtigste. Und weil hier Guanchenblut noch auffindbar ist, hält man die Sache richtig hoch, um sich vom Spanier als solchen abzugrenzen. Letzte Woche war ein interessanter Zeitungsbeitrag als Meinungsartikel bei El Apuron zu lesen, in dem der Autor die Politik aufgefordert hat, in Zukunft keine Feste der spanischen Eroberer mehr zu feiern. Das seien Feierlichkeiten unserer Unterdrücker, schließlich hätten wir Guanchenblut in uns. Das mit dem genetischen Anteil stimmt übrigens. Über 90 % unserer Abstammung hier hat jedoch gar nichts mit den Guanchen zu tun, sondern ist da Blut der Eroberer oder sonst wo her. Dass die Kartoffel und die Zutaten für die Mojo ohne die reisefreudigen Eroberer vom Festland niemals unser Nationalessen und Kulturgut geworden wären, ist geschenkt. Wir mischen unsere Identität bedarfsorientiert und wichtig ist vor allem, dass eine Art höheres Wesen stehenbleibt, dass Identität schafft.