Schon wieder Jahrestag

Irgendwie ist das komisch. Heute sind es genau drei Jahre, dass der vermaledeite Drecksack von Vulkan angefangen hat Lava auszuspucken. Eigentlich hätte man erwartet, dass die Medien davon voll sind. Aber eigentlich ist es nur ElTime.es die heute damit auf der Titelseite aufmachen. Die anderen beschäftigen sich mehr mit dem postvulkanischen Alltag. Wie läuft es in Puerto Naos? Was macht die Bananenkooperative „El Valle“? Wie gehen die Straßenarbeiten voran? Innehalten ist irgendwie nicht. Und das ist vielleicht gar nicht so schlimm. Wir sind längst im Alltag und das hat etwas für sich. Das gilt natürlich nicht für alle. Diejenigen, die ihr zuhause, verbunden mit der gesamten Familiengeschichte an den Berg verloren haben, die denken heute vielleicht nochmal anders an den 19.9.2021 zurück. Und, sieht man von dem tragischen Umstand, dass etliche immer noch in Holzhäusern und Containern wohnen ab, so geben die neuen Häuser, die ganz viele der direkt betroffenen Menschen bereits neu errichtet haben, eben dann doch nicht das verlorene zurück. Der Vulkan hat mehr vernichtet, als Häuser, sondern eben auch Heimat, und die gibt es eben nicht mit finanziellen Zuwendungen zurück. Für die psychischen Folgen, kann man noch soviel Geld bereitstellen, ganz weg bekommt man das nicht. Trotzdem sind wir aber als Gesellschaft schon recht gut in der neuen Realität angekommen. Auch wenn viele nach wie vor ein komisches Gefühl haben, wenn sie über die Lavafläche fahren, hat man sich irgendwie daran gewöhnt. Auch wenn man bedenkt, dass wir mehr als nur privates Eigentum verloren haben, sondern der Gesellschaft ein ganzes Dorf abhandengekommen ist, hat sich da im Laufe der vergangenen Jahre etwas verändert. Die Erinnerungen an Todoque verblassen langsam, was sich auch daran zeigt, dass die Neuanlegung des verschütteten Kirchplatzes im ehemaligen Zentrum, bei vielen eher auf Ablehnung stößt, weil die der Ansicht sind, dass man da eher Häuser für das Geld bauen sollte. Rückblickend ist es erstaunlich, welche Resilienz dann doch viele haben. Der Ausbruch selber war nämlich tatsächlich eine immense Belastung. Auch für diejenigen, die nicht ihr persönliches Eigentum verloren haben. Drei Monate voller Ascheregen, Erdbeben und Lärm, waren brutal anstrengend. Vor allem das permanente Grollen und Knallen, sowie das Düsenjägergeräusch hat die Menschen mitgenommen. Meine Frau meinte, dass der psychische Stress in den 3 Monaten, sie am Ende Minimum 2 Jahre ihres Lebens gekostet haben wird. Und heute, 3 Jahre später, fällt es einem schwer sich an diese 3 Monate zurück zu erinnern. Man weiß zwar noch, wie es gedröhnt hat, und wie man, wegen dem Geknalle, als Familie, den Tränen nahe, auf dem Sofa saß, und nur noch wollte, dass es endlich vorbei ist. Das Gefühl des ausgeliefert sein und der absoluten Hilflosigkeit, das verblasst aber auch langsam in den Erinnerungen. Und das ist gut so. Im ersten Jahr nach dem Ausbruch, hat man die Erinnerung an dieses Gefühl noch recht präsent gehabt. Trotzdem möchte ich das nie wieder erleben.

Bei der positiven Geschichte, dass wir mehr oder weniger wieder eine Normalität auf der Insel haben, muss man aber aufpassen, dass man die Betroffenen nicht aus den Augen verliert. Dazu gehört, nicht nur der Wiederaufbau von einzelnen Behausungen und wirtschaftlichen Strukturen, sondern auch eine psychologische Betreuung. Auch wenn wir im Großen und Ganzen längst im postvulkanischen Zeitalter leben, gibt es einige, die längst nicht soweit sind. Den Blick nach vorne zu richten kann helfen, aber es sind eben nicht alle in der Lage das zu tun und die darf man dann eben nicht außer Acht lassen. Unabhängig davon gibt es aber auch hier viele, die zumindest finanziell sauber aus der Nummer rausgekommen sind. Es wurden etliche Töpfchen aufgelegt, und der, der einen fähigen Steuerberater hat, der ist unter Umständen ganz gut entschädigt worden. Bei der Verteilung der monetären Zuwendungen hat sich dann auch ziemlich schnell gezeigt, dass sich einige selbst die nächsten waren. Und so hat das auch zu Frust auf der Insel gesorgt, weil einige das Gefühl hatten zu kurz zu kommen, während der Nachbar neu baut, und noch dazu Grundstücke, zu überhöhten Preisen veräußert, auf die andere Betroffene angewiesen sind. Die Kauf- und Mietpreise sind hier tatsächlich explodiert, und man muss sich die Frage stellen, ob es clever ist, wenn man einzelne auch noch für den Zweitwohnsitz entschädigt, weil dass die Preise weiter in die Höhe treibt, und andere sich dann noch weniger eine Erstwohnung leisten können. Diese ganzen Geschichten sorgen nach wie vor für Frust unter den Betroffenen, und die Solidarität, die es während des Ausbruchs auf der Insel gab, ist in weiten Teilen verflogen. Hier könnte man für das nächste Mal wirklich schauen, wie wir es besser machen könnten. Spannend ist nämlich auch, dass wir schon wieder anfangen die vulkanische Gefahr zu verdrängen. Dabei war das garantiert nicht das letzte Mal, dass die Cumbre was ausspuckt. Aber genau das Verdrängen ist es ja, dass uns hilft weiter zu machen und uns an die neue Realität zu gewöhnen.

Der gehört nun dazu und geht auch nicht mehr weg