Ungleichgewicht

Im Süden werden die Kiefern kahl. Der Schuldige ist ein Schmetterling, bzw. dessen Kinderchen in Raupenform. Eine Art endemischer Prozessionsspinner macht sich über die Bäume her, und die vergilben dann und lassen die Nadeln fallen. Wir hatten das letztes Jahr bereits am Montaña de Enrique in der Nähe des Vulkans und die Wissenschaftler sahen da auch einen gewissen Zusammenhang. Fressfeinde des Schmetterlings seien durch die Eruption in diesem Gebiet beeinträchtigt worden, was zu einem Anstieg der Population geführt habe. Im Normallfall macht das den Bäumen gar nicht so viel aus, die sind gar zähe Gesellen und selbst wenn die kahl sind, bilden diese bald darauf neue Triebe in einen netten hellen grün. Junge bäume oder Geschwächte, könne da aber auch daran eingehen. Das kommt immer mal wieder vor, dass es eine große Ansammlung der hungrigen und haarigen Raupen gibt, und das eben auf allen bewaldeten Kanareninseln. So heftig, wie nun im Süden war es aber seit Jahrzehnten nicht mehr. Unter anderem macht man da nicht nur den Mangel an Fressfeineden für verantwortlich, sondern auch den Mangel an Regen und de gestiegenen Temperaturen so wie mangelnde Regentage. Das Nass von oben gefällt den Raupen nämlich gar nicht und da reguliert sich dann der Bestand von alleine. In Fuencaliente ist der Befall derzeit so groß, dass die Gemeinde sogar das Fest der heiligen Pinie abgesagt hat, weil die Haare der Tiere bei empfindlichen Menschen zu Atemproblemen führen könnten. Die Gesundheit der, häufig betagten Bürger, die da an einer Prozession teilnehmen, war der Gemeinde dann wichtiger. Auch im Fall von Fuencaliente sieht man aber auch noch einen Zusammenhang mit dem Vulkan, weil die Kiefern durch die Ausgasungen ebenfalls geschwächt waren und nun in der Erholungsphase die Raupen am Hals haben. Auch das vulkanbedingte Fehlen von schmetterlingsverzehrenden Räubern hat wohl noch Einfluss auf die momentane Situation. Deshalb hat man aber durchaus die Hoffnung, dass sich die Situation im nächsten Jahr wieder normalisiert oder zumindest verbessert haben wird.

Weiter mit Tieren. Die palmerische Sektion der spanischen Tierschutzpartei PACMA hat sich an die Öffentlichkeit gewandt, und bemängelt das Verhalten einiger Gemeinden der Insel im Umgang mit kranken oder angefahrenen Fundtieren. Der Vorwurf, ohne Namen der Gemeinden zu nennen besteht darin, dass man die Tiere, trotz Rettungschancen, aus Kostengründen nicht entsprechend versorgen würde, weil eine Einschläferung tierarzttechnisch billiger kommen würde. Zudem liegt es in der Verantwortung der Gemeinden, diese Tiere zu versorgen und zu beherbergen und zu vermitteln. Das kann durch die Gemeinden selber geschehen, oder an private Organisationen ausgelagert werden, die dann aber bezahlt werden müssen. So sagt es das recht strenge spanische Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2023. Eine unnötige Tötung stelle, so die Tierschutzpartei einen groben Verstoß gegen das Gesetz dar und die Mindeststrafe liege bei € 50.001. Dass das System in einigen Gemeinden nicht funktioniert können wir mehrfach aus eigener Erfahrung berichten. Hier in El Paso klappt das nur mit Hunden. Dem von der Gemeinde beauftragten scheinen aber Katzen nicht so wichtig zu sein. Mehrfach hatten wir bei einemverletzten Fund-Tier bereits angerufen und wurden mit dem Versprechen auf Rückruf vertröstet, als der nicht kam, wurden wir dann beim erneuten Versuch der Kontaktaufnahme einfach weggeklickt. Vor einigen Tagen ist uns dann wieder eine kleine Katze an der DISA-Tankstelle begegnet, die von Touristen mit Schinken gefüttert wurde. Das Tier hatte neben einer totalen Dehydrierung eine einige Tage alte, blutende und eitrige Bissverletzung eines Hundes am Bauch. Also haben wir die Katzenbox geholt und das Tier eingepackt. Die Idee war natürlich die direkte Auslagerung des Problems, also sind wir zur Lokalpolizei gegangen und haben nachgefragt, was man nun machen soll. Die haben einem dann bestätigt, dass Katzen eben keinen so guten Stand hätten, und sie nicht garantieren würden, dass das Tierchen, gerade mal 3 Monate alt, die entsprechende Pflege erhalte würde. Über meinen Witz, dass es wohl sinnvoller sei, zu behaupten man habe das Tier im Gemeindegebiet von Los Llanos aufgegabelt, weil man die Katze dann Benawara ans Bein binden könnte, gab es nur ein hilfloses Schulterzucken aber keinen Wiederspruch. Wenn man aber zum einen Katzenliebhaber ist, und zum anderen seine Kinder im Schlepptau hat, dann passiert eben in regelmäßigen Abständen das gleiche. Man packt das Tier ein und geht erstmal zum Tierarzt. In dem Fall zum helfenden Hugo in Breña Baja, der die kleine erstmal über Nacht dort behalten hat. In der Bisswunde waren bereits Fliegeneier und er wollte das dann in Ruhe machen. Am nächsten Zag hat er dann, weil Straßenkatze nur € 40 für die gesamte Behandlung inklusive Entwurmung und Antibiotika verlangt. Nun haben wir unseren Fellträgerbestand um 25% erhöht und die kleine wohnt bei uns. Die Wunde verheilt prima und das Tierchen macht den anderen gegenüber regelmäßig den dicken Motz, was die mit vermehrtem Außerhausbleiben quittieren. Nur vor Botox, dem mittlerweile ruhiger werdenden Kater mit der sozialen Dysfunktion, hat sie Respekt und geht ihm aus dem Weg. Mit der Namensgebung sind wir noch nicht ganz klar, aber Sohnemann und ich haben die gleiche Präferenz und denken, dass wir uns am Ende durchsetzen werden.

Die Augen von „Polly“ tränen noch, da muss der Hugo nochmal ran…

Das mit dem Tierschutz funktioniert tatsächlich noch nicht so, wie es das Gesetz vorsieht. Kastration ist Pflicht und mutwillige Vermehrung von Hunden und Katzen ist verboten. Ebenso ist es verpflichtend die Tiere, mittels Chip, registrieren zu lassen. Diese Vorschriften sorgen dann aber auch dafür, dass manchmal auf althergebrachte Weise mit dem Leben der Tiere verfahren wird. Sprich die Tiere werden „entsorgt“. Hier geht gerade eine Geschichte über die Insel und durch die sozialen Medien, die gar grausig ist. Ein Hund wurde, mit Kabelbindern gefesselt, in einem Sack in Los Llanos aufgefunden. Trotz intensivster Betreuung durch Tierärzte und von Benawara, hat es der Hund am Ende nicht geschafft. Die Tierretter sind nun auf der Suche nach dem Täter, schließlich handelt es sich hierbei um einen gravierenden Verstoß und wir erinnern uns: €50.001 sind Mindeststrafe! Mit Bildern wird gesucht und wer den Hund erkennt, der möge sich bei Ihnen oder bei Seprona, die dafür zuständige Abteilung der Guardia Civil melden. Der Gedankengang ist nicht ganz falsch, schließlich würde eine Überführung bei entsprechender Strafe, dann eben auch abschreckend wirken. Wobei es hier eher selten vorkommt, dass jemand seinen Nachbarn verpfeift. In einem, auch auf Deutsch erscheinenden, Anzeigenblättchen hier auf der Insel, wurde ebenfalls eine große Annonce geschaltet, von wem ist aber nicht zu erkennen. Auch hier wird zur Mithilfe zur Überführung des Täters aufgerufen. Allerdings, und da wird es dann eben komisch, steht im Text, dass man den betreffenden am besten mit der gleichen Behandlung bestrafen sollte, wie dieser es mit dem armen Hund gemacht hat. Sprich fesseln, in einen Sack stecken und anschließend verrecken lassen. Und da hat dann eben doch der moralische Kompass die ein oder andere Entgleisung zu beklagen und aus dem Gleichgewicht geraten. Dass man kurzfristig diese Fantasie hat, sei unbenommen, eine andere Geschichte ist es aber dann, solch einen Aufruf zu publizieren. In der Originalversion von Benawara, die diese auf ihrer Facebookseite veröffentlicht haben, steht nämlich nichts von solchen Lynchfantasien.

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