Ganzheitlich hört sich ganz dolle an

Zumindest auf den ersten Blick. Das klinkt irgendwie, wie nachhaltig. Also gut und schön. Ganz umfasst uns alle zur Gänze, beschützt und. Ganzheitliche Erziehung, bedürfnisorientiert, zum Wohlfühlen für alle, lässt niemanden zurück und nimmt uns mit in eine paradiesische Zukunft. Deswegen meint unser Inselpräsident, dass wir die Straßen so dringend brauchen. Ganzdolle recht hat er mit der LP2. Da sagt die ganze Insel natürlich nicht nein.  Das würde uns alle ganz arg freuen, weil die Verbindung El Paso Las Manchas einfach fehlt, und das für die Wiederbelebung und die ganzheitliche Entwicklung von Las Manchas ganz bitter nötig wäre. Nun aber Schluss mit der ganzen Alberei und zum Ernst des Themas. Das tolle Wort sagt gar nichts und es geht eben nicht nur um die LP2, sondern, wie immer, wenn große oder gar großartige Wörter benutzt werden, auch um andere Sachen. Hier ist nun wieder die Rede von der brutal teuren Strecke von El Remo nach Las Indias. Bislang habe ich nicht mit einem einzigen Palermo gesprochen, der ernsthaft meint, dass wir die Strecke brauche würden. Natürlich wäre das irgendwie geschickt, aber da hängt immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung mit dran. Die Geschichte mit Las Indias ist nämlich relativ. Wer unten an der Küste langfährt, der muss ja danach wieder nach oben, weil der Ort ja auf halber Höhe liegt. Deshalb wäre es letztlich egal, ob man da oben lang fährt, über Los Canarios, oder unten am Wasser. Wenn wir aus dem Tal an den Playa Zamorra wollen, da hätten wir einen Vorteil. Ansonsten geht da so gut wie nichts. Keine größeren Siedlungen, wären da angeschlossen, Aber natürlich das Prinzenhotel, und jede Menge Bananenplantagen. Ob man Millionen ausgeben muss, damit die Bananenarbeiter schneller an die Plantage kommen, da bin ich mit nicht so sicher. Ganzheitlich und da geht es um Entwicklung, möchte man aber denken. Und mit einer guten Verkehrsanbindung mag so mancher im Hintergrund ganz andere Sachen im Kopf haben, als Bananen. Sonniger Süden, Nähe zum Wasser, bislang unbebaut. Das muss ja nicht unbedingt so bleiben und manch ein Landlord, der bisher Krummfrüchte kultiviert, wittert da das ganz große Geschäft. Ebenso Investoren. Und plötzlich kommt auch der Golfplatz in Fuencaliente, von dem immer die Rede war, in den Sinn. Dort unten ist was zu holen. Ganzheitliche Entwicklung bedeutet für unseren Sergio vor allem Wachstum. Das lässt sich schön sagen, und Wachstum sind zuallererst einfach nur Zahlen, beziehungsweise Geld, das auf irgendwelchen Konten eingeht. Man muss aber gar nicht sagen auf welche. Hauptsache mehr, auch wenn das mehr nur für wenige gilt. Wie hier auf La Palma scheinen irgendwie immer noch vom großen Tourismus zu träumen. Ganz supi finden wir Statistiken, die sagen, dass wieder mehr gekommen sind. Wachstum wollen wir auch und wenn es bei den anderen wächst, dann bitte auch hier. Um 10% haben die Besucherzahlen im ersten Halbjahr kanarenweit zugenommen. Nur finden das die Menschen auf den Inseln gar nicht mehr so gut. Das Thema der Demonstrationen vom April, nämlich dass die Inseln ein Limit hätten, das sitz in den Köpfen. Und die Initiatoren sind entsprechend sauer, weil sie den Eindruck haben, dass in anderen teilen Spaniens derzeit eher verstanden wird, dass man an seine Grenzen stößt, als hier auf den Kanaren. Deshalb plant man nun bei den nächsten Demos dahin zu gehen, wo es weh tut. Nämlich in die touristischen Hotspots. Die die hinter den Demonstrationen stecken, betonen immer wieder, dass sie gar kein Problem mit dem Tourismus hätten, aber eben mit der Aart wie dieser abläuft. Allerdings, und das ist wichtig, hängen sich an die Geschichte gerade so einige rechtsdrehende Idioten, die das nutzen um gegen nicht endemische Kanarenbewohner zu hetzen. Und so kam es auch auf Gran Canaria und Teneriffa zu rassistischen Ausfällen. Fragt man aber die Initiatoren welche Art von Tourismus man sich vorstellt, dann läuft das am ehesten eben auf so etwas raus, wie wir es hier auf La Palma haben. Irgendwie integrativ eben. Am beten noch mit einer emotionalen Verbindung, nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen die hier leben. Und wenn man sich mal vor Augen hält, wie viele Menschen aus Mitteleuropa während und nach dem Vulkan mitgelitten haben, dann ist das wirklich rührend. So gesehen unterscheidet sich La Palma, gemeinsam mit El Hierro, von den anderen Inseln. Und nein, La Gomera ist längst nicht mehr so, wie es mal war. Die Argumentation, im Stile der Mallorcaliebhaber, dass es immer noch schöne und ruhige Ecken gäbe, die zieht nicht. Hier gilt das einfach mal für die ganze Insel. Auf La Palma muss man die Normalität nicht suchen, sondern man integriert sich in diese. Solange das so läuft, freut man sich über jeden Besucher. Und manchmal macht es den Eindruck, als ob die Verantwortlichen gar nicht merken, dass wir hier sehr wohl Touristen haben. Man sieht die als solche in der Hauptstadt, wenn die vom Schiff purzeln und mit Armband und blassen Teint durch die Souvenirshops pendeln um in China gefertigte, typisch palmerische Mitbringsel zu erstehen. Der Rest unserer Besucher fällt nicht auf. Einkaufen im Supermarkt, danach ab in die Natur um sich protestantisch das Abendessen zu erwandern. Wenn unsere Hausbesitzer immer meinen, dass unsere Gäste so ruhig, und zuvorkommend sind, dann muss man denen immer erklären, dass das nicht die typischen Deutschen sind, die bei uns Station machen. Wir könnten ganzheitlich glücklich sein, wie der Tourismus hier läuft, irgendwie unter dem Radar, und zumindest fällt der nicht negativ auf. Der Tourismus auf La Palma ist auch nicht der Grund für den Wohnungsmangel. Wir haben eher das Problem mit dem Leerstand. In Santa Cruz und in Los Llanos gibt es zwar tatsächlich einige Ferienwohnungen, die dem Mietmarkt entzogen wurden, die haben aber nichts mit dem typischen Tourisimus von La Palma zu tun. Da gehen junge Spanier hin, meist über die bösen Portale für ein Wochenende gebucht und dann in Gruppen und Party gebürstet. Auf den anderen Inseln ist das übrigens nicht so. Ein Großteil der Ferienwohnungen dort, befindet sich in den Touristenzentren. Diejenigen, die das mieten, wollen die Unterkunft nicht, weil sie Ruhe und Normalität suchen, sondern, weil es ganz einfach günstiger ist als ein Hotel. Deshalb ploppen da auch immer mehr Wohnungen auf, und nehmen den Einheimischen den Wohnraum weg, die dann stinkig werden. Die Frage ist dann, ob der Tourismus den Einheimischen nützt, oder schadet. Und dabei geht es eben nicht um das reine Wachstum, sondern auch um Folgeerscheinungen, wie Wohnungsmangel, Inflation in den Touristengebieten (auf Lanzarote ist alles viel teurer als auf La Palma), Verkehrskollaps, Wassermangel oder Müllprobleme und andere unschöne Dinge. Wer denkt, dass die Einheimischen ja undankbar seien, schließlich würde man als reicher Deutscher seine sauer verdienten Euros den Spaniern bringen, die sowieso nicht richtig arbeiten, und überhaupt war das Hand von dem langhaarigen gestern und deswegen Elfmeter für Deutschland und überhaupt, der muss ja auch gar nicht zu uns kommen. Wir auf La Palma sind aber in Sachen Tourismus gesegnet, zumindest in der Art. Und natürlich dürften es im Sommer einige mehr sein um die lokale Wirtschaft ein wenig anzutreiben. Aber wenn die Demonstranten sagen, dass die Kanaren ein Limit haben, dann stimmt das. Eine kleine Insel im Atlantik hat nun mal Grenzen. Auch in Sachen Wachstum und wirtschaftlicher Entwicklung. Aber es gibt eben noch mehr Dinge, die ein gutes Leben ausmachen. Vielleicht ist es ganz gut solche Grenzen zu haben und die auch einzuhalten, und nicht, wie Im Süden Teneriffas, andauernd darüber zu gehen.